yvonne erber - 13. Dez, 11:06
Lieber R. R.
----„Dass jeder Raum eine Verwandlung bewirkt...“- es kommt darauf an, wie man auftritt. Chantal Michel tritt gestaltend auf. Sie unterwirft sich nicht, sie unterwirft den Raum, samt Inhalt. Es ist – in den Performances als auch auf den Fotos – eine stumme, beherrschende Präsenz.
----Auf dem Foto, das ich gestern eingestellt habe, inszeniert sie alles. Der Vorteil von Fotoserien ist die Berechenbarkeit der Details. Bei den Performances ist sie das direkte Objekt der Betrachtung, das sich ausstellt. Sie verändert bewusst und aggressiv durch die Art ihres Erscheinens, die alle Anwesenden irritiert.
----Dieses Foto aus der Serie „ Während der ganzen Zeit...“ ist vergleichsweise harmlos. Auf den ersten Blick ist es ein Bild der Verwüstung. Der zweite zeigt bereits die Kompositionsabsicht und Drang zur (Farb-)Harmonie. Das Schiefe, die Flucht-Linien, die den Blick lenken – wohin? Dorthin, wo ich einen Kopf vermuten muss. Sie suchen vermutlich auch diesen Ziel-Punkt, der nie und nimmer sichtbar werden wird, jedenfalls nicht hier. (Auf den anderen 8 Fotos dieser Serie hat Chantal Michel ihr Gesicht mit ihren langen braunen Haaren verhüllt. Und – sie trägt immer diese weißen Stöckelschuhe.)
----Meine erste Assoziation war: hier ist ein Mord passiert, zumindest ein Gewaltakt. Chantals Körper ist nur bis zum Nabel sichtbar. Die Beine wirken wie Puppenbeine. Dazu dieses Tüllkleid!
----Sollte Chantal beabsichtigt haben, mich mit meiner Kindheit, meiner Puppenstube zu verbinden – es ist ihr nicht gelungen. Ich kenne auch keine Zimmer mit 3 Lampen dieser Art, mit einem Regenschirm vor einem solch blaugrünen Gemälde usw. Also eine künstliche Gewaltidylle? Das hat nichts mit meinen Horrorträumen zu tun.
----Alle ihre Bilder strotzen von Künstlichkeit und sind zugleich verführerisch. Sie bewirken keineswegs eine Verwandlung, auch nicht in dem Sinn, dass ich mich da hineinversetzen wollte. In diesem Raum wäre kein Platz mehr für mich. Auch nicht in dem Badezimmer, in dem sie sich so geschickt verklemmt hat, dass sie auch für eine wunderbar Schwebende gehalten werden könnte. Ich könnte mir keinen Mann an ihre Stelle denken. Sie hat nichts Gewalttätiges an sich. Sie ist einfach schön, wie sie sich in dem gelben Kleid und schwarzen Schuhen "ausruht". Ein Mann in dieser Position in einem Bad kann ich mir nur im Tarnanzug vorstellen.
----Mit dem Wort „hingegeben“ kann ich nichts anfangen. Auch nicht damit, dass Frauen „leichter ‚Objekt’“ seien. Das sind sie vielleicht in den Augen der Männer (zwar ohne Apostroph), die sich eine Frau so ausmalen, um sich aufzustacheln und ihre Feigheit zu überdecken. Das Objekthafte der Frauen existiert nur in der Phantasie von Männern, die glauben, Frauen wie Räume betreten und erobern zu können.
----Diese Frau – Chantal Michel – bietet sich in ihren Kunst-Inszenierungen voller Absicht als etwas zum Bild-Material Gewordenes an. Sie lässt ihr Fleisch erstarren, sie verbirgt ihr pulsierendes Leben. Wenn Sie wollen – darin wohnt die Allegorie des Todes, die einen süßlich-barocken Sog entfaltet, dem vielleicht Sie als, wie Sie schreiben, „(plump-männlicher“) Körper viel weniger entkommen können als ich. Aber ich denke, wir sind beide erwachsen und können, aufgrund der lang eingeübten Geschlechterrollen, damit umgehen, ohne „die eine Frage“ an die Eltern stellen zu müssen.
YVONNE ERBER
Chantal Michel, Die letzten Zeugen 03
----„Dass jeder Raum eine Verwandlung bewirkt...“- es kommt darauf an, wie man auftritt. Chantal Michel tritt gestaltend auf. Sie unterwirft sich nicht, sie unterwirft den Raum, samt Inhalt. Es ist – in den Performances als auch auf den Fotos – eine stumme, beherrschende Präsenz.
----Auf dem Foto, das ich gestern eingestellt habe, inszeniert sie alles. Der Vorteil von Fotoserien ist die Berechenbarkeit der Details. Bei den Performances ist sie das direkte Objekt der Betrachtung, das sich ausstellt. Sie verändert bewusst und aggressiv durch die Art ihres Erscheinens, die alle Anwesenden irritiert.
----Dieses Foto aus der Serie „ Während der ganzen Zeit...“ ist vergleichsweise harmlos. Auf den ersten Blick ist es ein Bild der Verwüstung. Der zweite zeigt bereits die Kompositionsabsicht und Drang zur (Farb-)Harmonie. Das Schiefe, die Flucht-Linien, die den Blick lenken – wohin? Dorthin, wo ich einen Kopf vermuten muss. Sie suchen vermutlich auch diesen Ziel-Punkt, der nie und nimmer sichtbar werden wird, jedenfalls nicht hier. (Auf den anderen 8 Fotos dieser Serie hat Chantal Michel ihr Gesicht mit ihren langen braunen Haaren verhüllt. Und – sie trägt immer diese weißen Stöckelschuhe.)
----Meine erste Assoziation war: hier ist ein Mord passiert, zumindest ein Gewaltakt. Chantals Körper ist nur bis zum Nabel sichtbar. Die Beine wirken wie Puppenbeine. Dazu dieses Tüllkleid!
----Sollte Chantal beabsichtigt haben, mich mit meiner Kindheit, meiner Puppenstube zu verbinden – es ist ihr nicht gelungen. Ich kenne auch keine Zimmer mit 3 Lampen dieser Art, mit einem Regenschirm vor einem solch blaugrünen Gemälde usw. Also eine künstliche Gewaltidylle? Das hat nichts mit meinen Horrorträumen zu tun.
----Alle ihre Bilder strotzen von Künstlichkeit und sind zugleich verführerisch. Sie bewirken keineswegs eine Verwandlung, auch nicht in dem Sinn, dass ich mich da hineinversetzen wollte. In diesem Raum wäre kein Platz mehr für mich. Auch nicht in dem Badezimmer, in dem sie sich so geschickt verklemmt hat, dass sie auch für eine wunderbar Schwebende gehalten werden könnte. Ich könnte mir keinen Mann an ihre Stelle denken. Sie hat nichts Gewalttätiges an sich. Sie ist einfach schön, wie sie sich in dem gelben Kleid und schwarzen Schuhen "ausruht". Ein Mann in dieser Position in einem Bad kann ich mir nur im Tarnanzug vorstellen.
----Mit dem Wort „hingegeben“ kann ich nichts anfangen. Auch nicht damit, dass Frauen „leichter ‚Objekt’“ seien. Das sind sie vielleicht in den Augen der Männer (zwar ohne Apostroph), die sich eine Frau so ausmalen, um sich aufzustacheln und ihre Feigheit zu überdecken. Das Objekthafte der Frauen existiert nur in der Phantasie von Männern, die glauben, Frauen wie Räume betreten und erobern zu können.
----Diese Frau – Chantal Michel – bietet sich in ihren Kunst-Inszenierungen voller Absicht als etwas zum Bild-Material Gewordenes an. Sie lässt ihr Fleisch erstarren, sie verbirgt ihr pulsierendes Leben. Wenn Sie wollen – darin wohnt die Allegorie des Todes, die einen süßlich-barocken Sog entfaltet, dem vielleicht Sie als, wie Sie schreiben, „(plump-männlicher“) Körper viel weniger entkommen können als ich. Aber ich denke, wir sind beide erwachsen und können, aufgrund der lang eingeübten Geschlechterrollen, damit umgehen, ohne „die eine Frage“ an die Eltern stellen zu müssen.
YVONNE ERBER
Chantal Michel, Die letzten Zeugen 03
yvonne erber - 13. Dez, 11:06
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