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franz schiel

Samstag, 23. Dezember 2006

yvonne erber - 23. Dez, 08:19

Was mir sofort aufgestoßen ist: eine Spielhose mit weißen Engeln erschien mir absurd, obwohl es sicher einen solchen Stoff mit weißen Engeln gibt. Das für mich nächstliegende: ein Foto in einem Bildband, worauf ein Säugling zu sehen war, völlig eingeschnürt, mit chinesischen Zeichen bedeckt.

Dann ein Hoppla: „immergrüner Himmel“! In unseren Breiten gibt’s nicht so viel Immergrünes: Nadelbäume, Buchsbaum, Thujen, Efeu – mehr fällt mir nicht ein. „Immergrüner Himmel“ kann nur eine Täuschung sein. Aber vielleicht sieht ein Kind, das sich einen grasbewachsenen Hügel hinunterrollt, den Himmel in diesen Momenten grün.

Schließlich – „Mutters vergeudete Eier“! Als „Sternchen“! Ein Kinderblick? Nein, ein Blick auf ein Kind, das aus einem nicht „vergeudeten“ Ei entstanden ist.

Interessant der Gedanke, dass alle diese nicht befruchteten Eier zum Himmel aufsteigen. Alle Eizellen, die Menschen hätten werden können, werden dorthin projiziert. So erfüllen sie eine zweckvolle Aufgabe - sie leuchten in den Nächten!

In der Klosterschule wurde uns gelehrt, dass die Verstorbenen bei Gott im Himmel sind und funkeln, vor allem die gestorbenen Kinder. Die Toten schauen auf die noch Lebenden herunter; diese schauen hinauf und beten zu ihnen.

Für jede gebärfähige Frau jeden Monat dieser Verlust! Ich denke nicht daran. Jetzt tu ich es. Doch über diese verloren gegangenen Eier – von den bei der Geburt vorhandenen etwa 400.000 Eibläschen bleiben, wie ich lese, nur etwa 400 zur Befruchtung übrig – mache ich mir gewöhnlich keine Sorgen. Ich sorge mich um geborene Menschen, die mir nahe stehen.

Nächste Strophe: Beschreibung des Zustands eines Kindes, das sich verletzt hat, das die Verwandlung des Essens verfolgt. Das könnte aber auch aus der Gegenwart des Autors stammen. Dann wird durch diese Verletzung die Erinnerung erst ausgelöst - an einen bestimmten Nachmittag, an Menschen, die nicht mehr leben, an den innigen Kontakt mit Tieren.

Ein vielleicht zufälliger, schwebender Blick löst etwas aus – dieses Gedicht versucht das auf sehnsüchtige Weise zu konkretisieren.

Zu:

FRANZ SCHIEL
NACHMITTAG ALS KIND


ich, schnell hingekritzeltes Ich,
mit verlängerter, gekrümmter Zunge,
strahlendblauen Augen, rechts und links,
und überall rote Flecken, Tattoos.

Geschaukelt auf der weißenTreppe,
der rosenbekränzten s-förmigen Rutsche,
in der Spielhose mit den weißen Engeln
vor dem plötzlich immergrünen Himmel.

Woher das alles so leuchtet? Mutters
vergeudete Eier als Sternchen,
aufgestiegen, geliebte Richtzeichen,
die auch den größten Mond überdauern.

Als sich der Verband vom Knie löst,
erleichtert sich der Krampf in der Hand.
Krusten weggekletzelt, Blut fließt wieder.
Keine Vergiftung, bleibende Narbe.

Zahnschmelz zeigt sich stahlhart,
Essenschmutz schmilzt sich an.
Im Magen dreht sich alles, was gut
schmeckt, zeigt sich als schöner Haufen.

Durch die Ellbogenhaut schneidet
ein Blatt, markiert diesen Nachmittag,
auch ferne, unvergeßliche Stimmen,
zittrige Schatten von Verstorbenen,

die Erinnerung an ein sich sträubendes Tier,
Igel, kratzende Kugel in der Schachtel,
an den sich neu formierenden Ameisenhügel,
der sich an den Weingartenweg schmiegt

Samstag, 9. Dezember 2006

yvonne erber - 9. Dez, 13:52

Ich habe kein Kind, ich wollte bisher keines haben. Ich war noch nie schwanger. Ich verstehe Frauen nicht, die die Verhütung Männern überlassen. Ich verstehe aber Frauen, die einen heftigen Wunsch nach einem Kind haben; allerdings nur dann, wenn dessen Zukunft in ihre Überlegungen einbezogen wird. Und wenn es einen Vater gibt, der Vaterschaft anstrebt und nicht bereits von dem Augenblick an, wo er von der Schwangerschaft erfährt, Kindesweglegung betreibt.

Schwangere besprechen sich vor allem mit anderen Schwangeren. Freundinnen, die schwanger wurden, gingen bald auf Distanz, nachdem das Kind da war. Ich stehe also ausserhalb all dieser KKK*)-Mentalität und kann zu diesem Thema wenig besteuern.

Bei allem, was ich gehört habe, hat sich die Sorge der Frauen nicht auf das Aussehen des Kindes gerichtet, sondern darauf, dass sie beide die Geburt glücklich überstehen, dass das Kind keine Missbildungen aufweist; und dass die Mutter danach in keine Depression verfällt.

Gerade deshalb hat mich dieses Gedicht interessiert. Hier wird scheinbar ein Schlaglicht auf ein Kind nach einer gelungenen Geburt geworfen, obwohl der Titel das Gegenteil ankündigt.

Hier wird der Eindruck erweckt, als wäre das Baby schon geboren. Als würde der Arzt kontrollieren, ob alles in Ordnung ist, und zwar mit einem Röntgenblick. Als wäre es schon ein Säugling usw.

Aber es ist die Vision eines noch ungeborenen Lebens. Obwohl im Präteritum geschrieben, handelt es sich um ein Zukunftsbild. Der Blick fällt nämlich auf „Wangen, die sich/schon gebläht haben müssen.“

Noch herrscht also Ungewissheit über das Schicksal dieser noch Ungeborenen, darüber, was auf ihren ersten Atemzug folgen wird. Doch gleich wird auf deren Vergangenheit geschwenkt, und sie wird eingereiht in die Schwestern- und Bruderschaft aller Menschen.

YVONNE ERBER

*)Kinder-Küche-Kirche

Zu:

FRANZ SCHIEL
VOR DER GEBURT


ein neues Gesicht, schon
nach dem ersten Blick, dem Fruchtwasser
enthoben, dem Badewannenwasser,
den ersten Tränen.

Ich sah neue Ohren, die sich selbst
schon hörten, neue Lippen, zwischen denen
sich plötzlich Luft einsog,
lungenflügelweitend –

Luft aus dem Badezimmer, Wohnzimmer,
auch der Dinge darin; Atemhauch
der Mutter, des Vaters,
der allgegenwärtigen Hebamme.

Ich sah neue Wangen, die sich
schon gebläht haben müssen, darunter
Zunge, Gaumen, Rachen, einen Mund,
der schon Muttermilch einsog.

Ich sah einen Mädchenkörper,
der ganz meinen Vorstellungen entsprach,
ihnen formell Form gab,
sich selbst mit jedem Atemzug;

der Raum eroberte, Volumen gewann.
Ich sah Haut, die sich faltete, spannte
um Knochen, die unsichtbar blieben
an Händen, Armen, Beinen, Zehen, am Rumpf.

Ich sah ihre Zukunft voraus.
Ich sah Vergangenheit, wie sie sich
schon in ihr breit machte, aller Menschen,
deren Werk sie ist

(Montag, 31.12.2001, 2.35 Uhr)

Donnerstag, 30. November 2006

yvonne erber - 30. Nov, 22:53

Heute

war ich beim Töpfer und mußte im Hof warten. Sein Husky, wohlerzogen, aber auch wachsam, kennt mich schon. Ich begann ihn zu streicheln und mit ihm zu reden: Wo ist denn dein Schlitten? Du kennst gar nicht deine Kollegen in Alaska! Du bist ein so ein schöner Eskimohund, hast so ein weiches Fell. Kannst du auch sitzen? Da setzte er sich sofort nieder, und ich lobte ihn ausgiebig. Plötzlich legte er sich hin, drehte sich auf den Rücken und streckte alle Viere von sich. Er wollte am Bauch gestreichelt werden. Ich war gerührt. Ein solches Vertrauen hätte ich mir an seiner Stelle nicht entgegengebracht.

Der Titel des Gedichts – „Mr. Indecision" – hat mich nicht gleich an einen Hund denken lassen Eher an einen Mann, einen bestimmten Typus, der am Morgen bereits „zweckvolle Volten" berechnet. Erwartet ein Hund „Tanz, Lust“? Nein. Und ich kenne keinen Hund, der „solipsistische Ironieschleifen“ zeichnet.

Ich dachte also anfangs an das „bissige“ Porträt eines Mannes im „mittleren Alter“. Oder dass das „Hündische“ eben einen Mann charakterisieren soll.

Mir kommt es so vor, also würden Sie in der Art des Ablaufs diesen „Hrn. Unentschieden“ noch deutlicher machen wollen. Immerhin gibt es in seinem Werdegang ein „Studentenleben“ und die Aussicht auf ein Dasein als „Pensionär“.

Ab der dritten Strophe ist dann schon klar, dass Sie einen Hund im Auge hatten: er überspringt Tore, hält sein Spielzeug zwischen den Reißzähnen usw. Ohne allerdings davon abzulassen, das Changieren zwischen Manns- und Hunde-Realität weiterzutreiben - „anschmiegen“ als „politische Entscheidung“.

YVONNE ERBER

PS: Ich hätte die letzte Strophe gestrichen.

Zu:

FRANZ SCHIEL
MR. INDECISION


Mr. Indecision erwartet den Tag
voller Gleichgültigkeit, außer es gibt
Berechnungen, die zweckvolle Volten
anbieten: Ernährung, Tanz, Lust.

Mr. Indecision liebt es, auf Parkbäumen
solopsisistische Ironieschleifen
aufzuzeichnen, mit dem Argument
der Gefahrlosigkeit. Vollkommene Beliebigkeit

ist in die Gesichter der Spaziergänger,
auch Läufer eingegraben, hündischer
Gebrauch von Freiheit. Die Hütte lockt,
die Kette, eintönig wohlschmeckender Fraß.

Einige Male der Versuch zur Begattung.
Tore dürfen übersprungen werden,
Aufhüpfer beklatscht, schnell dringt wieder
stinkende Einsamkeit durch, dieses Hinken,

Widerwille beim Anblick des Gefängnisgevierts.
Das Spiel ist leer, das Spielzeug – falls vorhanden –
festgefressen zwischen den Reißzähnen.
Blut eine äußerste Seltenheit. Alles knurrt,

doch wie ein entwaffnend milder Ton.
Die Konkurrenz ist weit weg, faktisch
nicht existent. Auf das Studentenleben
folgt übergangslos das eines Pensionärs.

Immer dieselben Ausführungen von immer
den gleichen Frauen, egal, ob alt oder jung,
geistesabwesend und mehr oder minder
osteoporotisch. Der Hund, voller Mitleid,

wird nicht davonrennen, nur schnüffelnd
sich anschmiegen. Eine höchst politische
Entscheidung, ohne Emphase. Das mittlere
Alter im Anmarsch, keine Veränderung in Sicht.

Möglich ein Sturz, der sein Leben zerbricht.
Er hat ja wie jeder eine Medaille und Feiern
zum Abschied verdient. Kriegt aber um fünf
einen Fußtritt, böses sträubendes Erwachen

(Montag, 18. September 2006, 5 Uhr, Venedig)

Mittwoch, 29. November 2006

yvonne erber - 28. Nov, 15:25

Ich sehe mich selbst

in einem Zug. Und ich sehe einen düsteren Raum mit Koffern, über die Tücher gespannt sind. Darin blinken Lichter, die in diesem Kopf wie ein Schmerz pulsieren. So verbinden sich gleich anfangs die ersten und letzten Verse dieses Gedichts.

Ich lese ein Gedicht nie linear von oben nach unten. Ich betrachte es als Bildkomposition - da gehe ich mit dem Blick ja auch nicht linear vor. Da verweile ich da und dort länger; dann überspringe ich wieder etwas und komme später dorthin zurück. Ich lese also ein Gedicht nicht Wort für Wort, ich will auch nicht sofort alles erfassen. Ich lasse mir Zeit zum Schweifen.

Daher interessiert mich auch in diesem Fall nicht die dahinterliegende Zeitenabfolge, sondern die bald formulierte Schlüsselfrage: "Gibt es Schnitte, die mich auszeichnen?" Das ist doch die zentrale Frage, wenn ich meine eigene Biographie betrachte: Wo gibt es Schnitte, Einschnitte? Zum Beispiel eine Hochzeit, den Tod der Mutter. Das kann sich positiv oder negativ auf das Folgende ausgewirkt haben, abhängig davon, wie jemand mit Glück oder Verlust umgehen kann.

Bei dem Wort "Goldkappe" sehe ich jemandem, dem die Goldkappe gespalten wurde. Ein gefährdetes Kind. Für eine Mutter ist ihr Kind doch etwas Goldiges, mit einem goldenen Helm versehen, in der goldenen Rüstung.

"Helm" ist dem Heiligenschein sehr nahe, nicht nur von der Form her. Aber Heilige sind nicht als solche geboren; sie werden ja erst nach ihrem Tod heiliggesprochen. In ihrem Leben waren sie oft Krieger und Kämpfer. Dazu fällt mir sofort der heilige Martin ein, naheliegend für eine Klosterschülerin. Bevor er Bischof wurde, war er Soldat und hat sicher viele Menschen umgebracht.

Die heutigen Religionskrieger tragen entweder einen Patronen- oder einen Sprengstoffgürtel, der ihnen die Heiligsprechung nach ihrem Opfertod sichert.

„Opfer hält sich bereit“: dahinter steckt einerseits ein Kommando. Oder jemand sieht überall Opfer, er könnte also überall seinen Mantel mit anderen teilen. Dazu wieder die Überlieferung zu Martin: Er soll an einem Wintertag einem armen unbekleideten Mann begegnet sein, während er außer seinen Waffen nur seinen Militärmantel trug, wahrscheinlich nur eine einfache Decke. Diese teilte er mit dem Schwert und gab die Hälfte dem Frierenden.

Zu Beginn ist vom Kopfschmerz die Rede, in dem letzten Zeilen wird aber der Wunsch nach einem anderen Schmerz geäußert, so weich und harmlos wie eine ausgebreitete Modellstadt. Heißt das: der Schmerz soll warm und übersichtlich sein, Antrieb für Erkenntnis versprechende Selbstbetrachtung?

YVONNE ERBER

Zu:

FRANZ SCHIEL
GOLD GOLDIGES


im Zug steigt Kopfschmerz auf,
rechts und links, er reicht Wochen, Monate
zurück, vielleicht Jahre. Was bedeutet das?

Gibt es Schnitte, die mich auszeichnen?
Gold, Goldiges, wie ein Helm
oder Schein des Heiligen, Patronengürtel?

Opfer hält sich bereit, mein Mantel.
Geschoße als Dornen, Erhebung, unversehrt,
aus der rasenden Fahrt in die Wolken.

Und im Tal, keineswegs des Jammers,
atmender Aufstieg, ohne diese penetrante
Innenluft. Rechts und links Berge,

auch in der Ferne, mit Schneekappen.
Das ist vorbei, keine Sonne, nur Zischen
von Feldern und Ortschaften, Ausschnitten

zwischen unverrückbaren Vorhangteilen,
einem fünffachen Heizungsschlitz.
Läge doch Schmerz vor mir, ausgebreitet

wie eine Stadt, deren Modell: harmlos weich,
aus Stoffen, über einen Spielzeugkoffer gespannt,
aus denen sich Stimmen erhöben, Gejubel

(Samstag, 05.04.2003, 16.40 Uhr)

Montag, 30. Oktober 2006

yvonne erber - 30. Okt, 16:30

Traurigkeit,

obwohl dieses Paar ja immer so auftreten könnte. Ich interpretiere den Titel als „Herbst der Beziehung“. Dazu stellt sich gleich als erst Assoziation „Herbst des Mittelalters“ ein, also in dem Fall:„mittleres Alter“. Das Buch von Jan Huizinga, das ich vor einiger Zeit gelesen habe, meint allerdings die Färbung des Elendslebens im Mittelalter mit dem schönen Schein einer herbeiphantasierten Traumwelt. Die war allerdings nur dem Adel vorbehalten.

Fragen wie: Was wollten sie als gemeinsames Projekt, was will sie, was will er? Woran scheiden sich die Geister? bleiben natürlich unbeantwortet.

Denn es handelt sich hier um die Andeutung einer Stimmung, die eine bestimmte Wetterlage ausgelöst hat. Zur Folge hat die eine Panikreaktion in einem Kaffeehaus, die im Verkehrschaos auf einer Stadtautobahn endet – damit wird mir jeder Gedanke ans herbstliche Mittelalter ausgetrieben.

YVONNE ERBER

Zu:

FRANZ SCHIEL
SCHON WIEDER HERBST


von Westen her Eintrübung, Wind, schwüler,
überall eine Handvoll schwebender Menschen,
und zwischen den Häusern Sand und Blattwerk,
im Aufstieben die Augen verschleiernd.

Kaum trittst du auf die Brücke im Milleniumtower,
entscheidest du dich schon für den Rückzug,
drinnen bei Starbucks Kühle, Versinken
im butterweiche Gestühl, Kakao und ein Muffin:

auch hier Preise wie die überall in London!
Und der Eiskaffee mit dem gestohlenen Obershäubchen
läßt dich fluchtartig aufspringen.
Abkürzungen, Umwege um Geschäfte

und Menschen, ins Nirgendwo blickend.
Am Donauufer nach dem Videokontrollabschnitt
Chaos im Verkehr: nur quergestellte Autos,
kein Blaulicht, von keiner Seite Rettung

Samstag, 28. Oktober 2006

yvonne erber - 28. Okt, 14:38

Mein erstes Bild:

dunkle Fichten, hohe Bäume, helle Flecken vorne, der lange Weg um einen See, den ich oft gegangen bin.

Ich rieche Bücher sehr stark; schlechter, vielleicht zu öliger Buchgeruch verdirbt mir den Genuß.

"Schalen und Buckel": ich esse gern Nüsse, während ich lese; ebenso Orangen. Meine Bücher werden von mir oft misshandelt, also entstehen Buckel – Buckel auf den Blättern, weil Saft oder Kaffee darauf tropft. Auch zwischen ihnen können Buckel entstehen, weil sie unordentlich aufeinanderliegen oder vielleicht irgendwo dazwischen ein Kugelschreiber eingeklemmt ist. Manche stehen schräg und schließlich buckelig neben meinem Bett.

Wiederholung und Insistenz beherrschen dieses Gedicht. "Wald" wird insgesamt achtmal wiederholt, im Titel und im Refrain. Der gibt dem Ganzen eine deutliche Struktur, wirft aber auch die Frage auf, wessen Stimme das ist, wer diese drei Strophen singt und wer besungen wird.

Dieses Gedicht ist lautlich sehr genau komponiert ist. Erstaunlich oft der dunkle Vokal u. Die Silbe -ung kommt siebenmal vor, zweimal am Wortanfang als Kombination von un+g: "un-glaubliche", "Ungewisse". Es gibt sogar einen zweifachen Binnenreim: „Rundumeinschränkung, Grundkränkung“.

Wiederholung wirkt hier auch wie ein Echo – „liebt, liebt“, „Stillgehen, Stillstand“. Das würde ja gut zum Waldmotiv passen: Wie man hineinruft, so kommt es zurück.

Allerdings könnte das "du" auch nicht sich selbst meinen, sondern ein weibliches Gegenüber, also die sehr eng geführte Charakteristik einer aus dem Leben bekannten Frau sein.

Halcion ist ein Schlafmittel. So etwas brauche ich nicht.

Zu:

FRANZ SCHIEL
WALD! WALD!


Alles verdirbt schlechter Buchgeruch –
den Tag, die Inspiration, den Mut,
Widerstand gegen Schalen und Buckel.
Dieses geisterhaft sich Nachbildende: wie nah
es mir ist – dein ganz spezieller Augenfehler.

Wald, Wald, deine Augen wimmeln!

Auch diese Ausschließlichkeit
deiner Grundentfaltung und daß du
den Vater liebst, liebst, trotz tyrannischer
Rundumeinschränkung, Grundkränkung.
Nochmals: darin – in den Blicken, Selbstschreibungen –

Wald, Wald, deine Augen wimmeln!

diese unnachgiebige unglaubliche Präsenz.
in den wiederholten Bewegungsabläufen,
im Stillgehen, Stillstand. Im Ausholen
ins Ungewisse – Präsenz, im Mut zum Minmalen.
Und ich: knapp hintereinander zwei Halcion.

Wald, Wald, deine Augen wimmeln!

Sonntag, 22. Oktober 2006

yvonne erber - 22. Okt, 10:39

Ich fühle mich allein,

sehe einen Weg vor mir, den ich schon einmal gegangen bin, nicht allein. Denn in eine solche Landschaft würde ich mich nur in Begleitung wagen. Das bei den ersten Zeilen.

Bin ich in einer Stadt, vor allem in einer mit hässlicher Architektur, einer ohne ersichtliche Bauordnung, sehne ich mich nach Natur, ganz gleich welcher Art, nach Wiesen, Seen, nach Gebirge, nach einem Wald oder Urwald.

Ich weiss, es gibt es keine Natur ohne das Walten zerstörerischer Naturkräfte, ohne deren Spuren. Die Idylle ist das Konstrukt meiner Sehnsucht.

Trotzdem spüre ich in mir immer wieder ein heftiges Verlangen nach unberührter Natur. Und dort, wo ich laufe, zeigt die Natur nur ihre schönen Seiten.

Am Ende kippt das Gedicht in das Bild einer kriegerischen Handlung: so, als würden Destruktion und Schrecken von allen Seiten her überhand nehmen.

YVONNE ERBER

Zu:

FRANZ SCHIEL
WINDBRUCH


der Sturm muß von Nordwesten her gekommen sein,
von unten dem Berg herauf, ausgebrütet
in einer felsigen Mulde, übermächtig,
daß er etwas so Schreckliches anrichten konnte:
keine Zeilen gefällter Bäume, sondern abgegrenztes
Areal mit einzeln ausgewählten, einige nur geknickt
in Kopfhöhe, grellweiße Splitterstellen, und daneben,
die höchsten Stämme fast parallel, hingestreckt.
Und schrecklicher noch als die Splitterabbrüche:
Bäume in voller Länge aus den Boden gekippt –
am Ende die Verankerungsteller, erstaunlich flach,
nur Wurzelgeflecht in die Breite, oberflächlich verkrallt,
mit Erd- und Steineinschlüssen, etwas unschamhaft Enthülltes:
daß einer neben dem anderen auf so kleiner Fläche
das Gleichgewicht hielt, Nahrung zog, um so weit
nach oben zu streben, in Gesellschaft so vieler anderer.
Jetzt diese abgezirkelte Verwüstung, in völliger Stille.
Schein, hinter dem sich Granatfeuer verbirgt,
Feuerzunge, die sich vom Tal langsam herauffrißt,
nie mehr weichender Rauch, hoffnungsloser Nebel

(Samstag, 16.11.2002, 8.30 Uhr)

Montag, 9. Oktober 2006

yvonne erber - 9. Okt, 00:15

Das könnte heute

oder gestern geschrieben worden sein, als hätte der Schreibende "jetzt" gesagt, jetzt, das heisst: gestern am Samstag oder heute an diesem Sonntag!

Vor mehr als 4 Jahren notiert, an einem Donnerstag, Ende August – und um halb sechs am Abend! Wie mir das gefällt – dass immer auch das genaue Datum dabei steht, sodass man weiß – man kann dem Zeitfluss nicht entkommen und vielleicht sogar zurückzurechnen beginnt.

Bei aller Illusionskunst – dieser Sommer ist vorbei, trotz der Sonne heute, der Sonne gestern, dem unbeschreiblich großen und roten Vollmond (gegen 19 Uhr, vom Auto aus gesehen, der sich so ähnlich wahrscheinlich auch im Winter ereignen könnte).

Sommerende ist immer traurig für mich, besonders wenn sich den Sommer lang die Hoffnungen nicht erfüllt haben, die verschiedensten Wünsche nicht wahr geworden sind. Es insistiert weiter die Liste der unerfüllten Wünsche, ohne daß ich darüber wirklich unglücklich wäre. Ich wollte zelten, ich wollte wieder einmal Kanu fahren, ich wollte bis zum frühen Morgen in einem Garten sitzen...

Ich rede von mir, nicht von der „Wichtigkeitsdarstellung“ dieses Mannes, die mir ja imponiert, obwohl ich so etwas nie tun würde: mich durch eine Kaufherde schleifen. So auf Körperkontakt, wie Männer eben ausschreiten müssen und nicht ausweichen mit Augenkurzschluss mit den Entgegenkommenden.

Nicht „angemessen“ – vermessen erscheint mir der Wunsch „im Fortschreiten Macht“ zu verteilen. Ich in der Menge als Machtverteilerin? Schon lieber hab ich diese Projektion, ich würde schweben können und mich dabei mit neuer Energie aufladen!

YVONNE ERBER

Zu:

FRANZ SCHIEL
SOMMER-ENDE



Licht, Strahlung, Wärme, Blicke,
Haut, die sich noch arglos entblößt.
Getümmel vor Geschäften, Paare
an den U-Bahnabgängen, auf Bänken.

Keine Kraft, nur laue Bewegung,
flüchtiges Schaufensterglück
mit Sommerschlußverkauf, Herbstangeboten.
Darum ging es nicht - im Gehen

zwischen ihnen allen hindurch,
an ihnen vorbei, schlendernd, schleifend,
mit blankem Augenkontakt:
Wichtigkeitsdarstellung,

Raum beanspruchend. Angemessen
im Fortschreiten Macht verteilt,
die nicht mehr abfällt, Energiesausen,
mich im Schweben neu aufgeladen

(Donnerstag, 29.08.2002, 17.30 Uhr)

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Samstag, 7. Oktober 2006

yvonne erber - 7. Okt, 23:09

LA DEFENSE:

ich denke sofort: defensiv, dazu dieses la – DIE DEFENSIVE: bin ich das? Abwehr, Wehr, Schutzwehr, Gegenwehr, Verteidigung, aber auch: Stoßzahn – bin ich das?

Ich bin dort auch schon in dieser Gegend gegangen, in Paris, ein Jahr später, in diesem Hochhausviertel, mit der sicher mehr als einen Kilometer langen Fußgängerzone mit dieser Unzahl an Hochbauten, alles Bürotürme: Areva-Turm, Manhattan, Gan, Total Fina Elf und das CNIT. Am beeindruckendsten ist jedoch die Grand Arche, die im Gedicht gar nicht erwähnt wird.

Es ist ja eine Annäherung, die man uns nahebringt, mit scharfen Detailblicken auf Ausschnitte aus der Umgebung. Etwas mühsam, dieses Vorankommen, weil alles an Hindernissen aufgeboten wird, was eine moderne Stadt zu bieten hat: Autoverkehr, Abgase, Verkehrslärm, Straßenwirrwarr. Der Fußgänger zählt nicht, solange er nicht auf der Fußgängerzone gelandet ist und vor der Grand Arche in die Knie geht.

Ganz verloren ist dieses Ich nicht: es kann Ventilatoren zum Stillstand bringen, ein „eingebildetes Tatsachenbild“. Auch es drängt es nach oben – unerwartet, daß es in einem Gelächter, noch dazu schmetternden, landen muß. Mir ist diese Strafe erspart geblieben, vielleicht, weil ich geführt wurde.

YVONNE ERBER

Zu:

FRANZ SCHIEL
LA DEFENSE


niemand erklärte mir den Namen: Pont du Puteaux -
Hure, Hurenkind oder vielleicht etwas ganz anderes.
Unablässig dröhnte der Verkehr. Schnell ging ich weiter
in eine viel stillere Gegend, verlassene Baustellen,

Bagger in der tiefen dottergelben Sandgrube,
der auch ein Kinderspielzeug sein könnte,
Spiegelflächen, die alles eindunkelnd verschärften,
mit kunstvoll abgestützten Hauswänden.

Vor einem pompösen potjomkinschen Bezirksamt
eine Unzahl verschieden hoher Springbrunnen,
alle in einem unwiederbringlichen Moment zu Eis erstarrt.
Und zum Hügel, der hinaufführt zu La Defense,

Wand aus Türmen, ausweglos über der Autostraße.
Inmitten von Gedröhn, Abgasen nur dieser eine Weg
quer durch den Busbahnhof, zwischen ununterbrochen
ankommenden und abfahrenden Bussen, und grünen,

auf den Fotos dann rot erscheinenden Ventilatoren,
die augenblicklich stillstanden, als ich sie fixierte.
Ort der Ruhe, eingebildetes Tatsachenbild. Und über mir
diese Bastionen ohne Gewicht, die Menschen in stummen

traurigen Märschen, die Maschinen, Geräte, Möbel
fliegend, fleischig. Lautlose Explosionen, die alles
lächerlich machten, mich zum einzigen, der standhielt:
fährt nach oben, landet im schmetternden Gelächter

(Sonntag, 21.04.2002, Paris)

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Mittwoch, 4. Oktober 2006

yvonne erber - 4. Okt, 12:45

Eine Menge Personen

tritt hier auf, vor allem weibliche, Schwestern, Kusinen, Nichten - keine so, dass ich sie mir gerne näher ansehen würde. Ich möchte weder die eine noch die andere sein.

Gewirr aus dem Kopf eines einsamen jungen Mannes, leidend unter seinem Testosteronansturm. Hier Honig, dort Blut, das aus hormonellen, rituellen oder aus mordlüsternen Gründen zu fließen scheint. Es gibt nichts, das "schmeckt", weder Monatsblut noch Göttinnen-Honig.

Eigentlich ist das alles doch recht ekelig. Eine Versammlung von Substantiven der Unappetitlichkeit: Blutrinnsale, Warzengeflecht, Plumpsloch, Hackmesser, Sauschädel usw.

Auffällig: „begehbare Schwestern"! Wer begeht sie, auf welche Weise? Ich denke sowohl an Inzest als auch an das mittelalterliche Heiratswesen, an die Schrankwerdung der Frau. Letzten Endes sind sie alle nur Handlangerinnen - für den überspannten Himmel dieser überquellenden Pubertätsphantasie.

Zu:

FRANZ SCHIEL
BLUTHONIG


die Schwestern, sie lagerten im selben Bett,
übereinander - Blutrinnsale mit fragenden Augen.
Baten mich immer um Kopfschmerztabletten.
Nie wieder sollte ich die Trompete des Onkels anrühren -
zurücklegen in die Kommode neben dem Mehlkasten
im Hinterzimmer. Ich trompete im Garten, unversöhnlich,
machte damit alle Nachbarn rebellisch. Und drinnen
die Schwestern übereinander wie Gepölster,
das sich aufbläht, auch unter mir. Darüber: Traumwabern,
Warzengeflecht über Schenkel und Penis.
Ringsymphonisches 50er-Jahre-Produkt,
der Reihe nach ausgebreitet, kirchliches Triptychon.
Begehbare Schwestern im Monatsblut, abgelöst
von den Kusinen, die für alles gradstehen mußten:
Honig um den Mund, in den Augen. Schwatzten
schnatternd ihre Wiener Phantasien in meine
heiligen Kabinettsausbrüche an Maiandachtsabenden.
Homophone auseinandergepreßte Schwestern,
ins Gefühlshirn der Kusinen versetzt: sie, die Verrückten,
die sich den Pubertätswirren freiwillig aussetzen,
einem romantischen Bezauberer. Tauschten wir Honig
anstatt Blut, tauschten sie das Monatsblut der Schwestern
mit ihrem Göttinnen-Honig? Honigbienen-Kusinen,
die in den Tagträumen im Grasgarten herrschten,
mir den entfremdeten Schulfreund vom Sockel stießen.
Folgten sie mir auf den Dachboden ins Heu?
Öffneten sie die Beine zur Geburt meiner Nichten,
deren Münder ich schon jede Nacht vorher geküßt hatte?
Aus Klee und Kalk, aus dem Plumpsloch
hinter dem Stadel, aus den Hackmessern,
Sauschädeln, aufgezogenen Hasenfellen, Hühnerfüßen,
dem Gedärm von Kühen - daraus war mein Himmel,
der nun wieder unter den Tuchenten auftritt -
aufgespannt von Schwestern, Kusinen, Nichten,
über mich, die Hand im Honig, die Zunge im Blut

(Sonntag, 04.05.2003, 18.15 Uhr)

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