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Sonntag, 21. Januar 2007

an yvonne erber - 21. Jan, 14:50

Liebe Yvonne.

Was tut sich denn? Ich vermisse den Bericht über deine Lektüre. Oder fürchtest du die Vermehrung von Leichen in deiner Phantasie?
Hier ist es regnerisch, die kalten Tage rücken heran.
Heute gehe ich ins Kunsthaus. Mehr dazu in den nächsten Tagen.

Im Anhang die aufregende Antwort von R. R.

Liebe Grüße

Michaela


Werte Dame,

Angora-Unterwäsche? Vielleicht sind es Ihre Selbst-Zähmungen, das Kuscheln ins Dickicht gepflegter Flauschigkeiten, die andere dann als ihre buchstäbliche Desillusionierungen lesen? Zeigen Sie ihnen Ihre Wunde! (im Beuys'schen Sinne). Oder "markieren Sie den wilden Mann!"

Im Ernst: Ich denke, mit der "Empfänglichkeit" - oder ihrem Gegenteil - der Zeitgenossen, Männern UND Frauen, berühren Sie ein ewig fragliches Grundmoment, über das ich auch oft nachdenke: Was und wieso verführt uns etwas, was reißt uns hin? Mir kam der Gedanke Sie aufzufordern, einmal kurz bei Ihrem Spiel damit zu verbleiben.
(Wann kann man eine Frau schon mal auf ihre Empfänglichkeiten ansprechen?)

Jetzt aber wirklich ernsthaft:
Was mich entzückte, war dieses "Mitwisserschaft absondern" (ich weiß, Sie meinten es anders, aber wir teilen ja diese Neigung zu doppelten Lesarten). Ist das nicht auch eine - etwas umweghaft gedachte, schön-bizarre - Umschreibung fürs Schreiben und Mailen selbst? Und denken Sie an das Sekretene, das süße Tröpfeln...

Damit bin ich bei Ihrem Traum - er korreliert höchst seltsam mit einem eigenen, der aber zu... sprachfern ist, um ihn hier zu referieren. Aber es bleibt doch das Spiel der Deutungen. (Ich konnte das früher immer gut! Ich will nicht sagen, dass ich mit allem Recht hatte, aber ich konnte mit Intuition und Intelligenz die Lesarten der Person und die ihrer Hervorbringungen zusammenbringen - oder eine Art Logarithmus aus dem Imaginären beider ziehen. Die Deutung muss ha nicht stimmen, sie muss nur annähernd einleuchten...)

Erraten Sie es? Es ist das Insekt. Der "bug" ("a bug hit my secreen"). Ihr (auffallend unspezifisches) Insekt ist meine "rote Stelle". Das Trübe, Wimmelnde, Entpersönlichte der vor-niedersten Schicht Leben nahe an dem medusenhaften Blick aus dem Mutterkuchen, das uns Versteinern kann. (Die allermeisten Menschen-[Frauen]phobien rühren übrigens aus diesem Bereich, inkl. noch der Schlangen).

Der weiße Karton ist natürlich das Weiße an sich: Ein Blatt Papier, der Brief. Bei dem Sie offenbar Scham empfanden, über das darin Geäußerte. Etwas Hässliches auf einem Unbeflecktem, das Schwarze Ihrer abgründigen Wünsche auf dem hübschen Selbstbild ihrer Seele.
Oder ein Lautreamont'scher Konflikt (Regenschirm / Nähmaschine / Seziertisch)?

Nein, die Fortsetzung ihrer Stickerei kann ich mir nicht recht vorstellen. (Ich kann mir meist zu viel vorstellen.) Aber die kapriziöse Ausgangslage interessierte mich brennend!

(Sie verstehen, dass ich um die Albernheit meines Schnellschusses hier weiß, ein Impromptu übrigens vor einem Teil des Hintergrund meines eigenen Traums, bei dem es um Schießen, um etwas Pistolenhaftes ging - dabei habe ich Angst vor Waffen, möchte aber, wie jeder kleine Junge natürlich brennend eine haben, um fast so sexy und mächtig zu sein wie Mädchen mit großen Augen, die mich mit ihrem haarscharfen Vorbeisehen an mir anderswie bannen. Im Traum war ich "auf dem Fleck". Es war unentschieden, ob ich etwas zum "Ziehen" hätte, die Spannung stieg...

***

Meine mir selbst suspekte Vorliebe für rote Stellen habe ich ja in dem "Klimate"-Text schon angedeutet, meine Hingabebereitschaft angesichts gewisse weiblicher Nöte auch.

Vom Zeitalter der Silberperücken weiß ich praktisch nichts, bringe es aber mit Anfällen meiner mir peinlichen "Ritterlichkeit" in Verbindung. Außerdem schätze ich das Hochherzige der Haltungen John Donnes oder Walters von der Vogelweise (noch einmal andere Zeiten, ich weiß). Es bringt mich auf den Gedanken, dass das Handeln und Anhimmeln der Männer, auch wenn es dumm ist, eben doch oft so etwas wie ein bisschen Würde und Selbstsein ausmacht - die Dummheit ihrer Frauenzimmer haben sie dann ja nicht zu verantworten, nur ihre eigene Wahl dieser Frauen. Aber die Vernarrtheit in eine ist dann zumindest die Vernarrtheit an sich, ohne die, nach Shakespeare, das Leben weit weniger wäre. Das Wesentliche scheint, unbesehen von allen Unverständnissen der anderen, selbst der innigst Geliebtesten, zu seinen Wahrheiten zu kommen. Auch wenn man damit gegen alle stünde.

High noon!

R.R.

Ach so: Jetzt rätsele ich nur noch, warum Sie mir die Attraktivität von Y.E. derart vor Augen führen?
Was mich in das Paradox führt, Ihnen gleich ebenso vorbehaltlos zu glauben, wie Sie für eine Lügnerin halte.

Und noch das Ashbery-Gedicht – es ist leider auch im Original nicht online; hier nur meine Lieblingsstellen:

"Und dann sei kühn, dann denkt sich die Wolke
uns und all das aus, was unsere Geschichte
je hätte sein sollen, und wir schließen
zu uns selbst auf, aber es ist das Selbst von anderen."

[...]

Wir können die Stürme überleben, die uns
wie Regenbogenhüte tragen, voll Angst, die Spuren in die Vergangenheit
zu sichern, die erst vor kurzem unsere war,
voll Angst, dort einen Teilhaber zu finden."
[...]

Freitag, 19. Januar 2007

an yvonne erber - 19. Jan, 02:48

Z., 18.1.

Liebe Yvonne.

Nur kurz aus Z., korrekt Küsnacht: in der Kunsthalle der - so scheints - hochgejubelte Valentin Carron. Appropriation, nichts Neues, muss auch nicht sein. Werde berichten.

Ich hatte ein wenig Zeit, hab daher auf En-passants Kommentar gleich reagiert
.
Vergessen Sie nicht, mir von Ihrer Lektüre zu berichten! ;-)

Liebe Grüße

Michaela

Zu: Enträtsele mich...

Wie recht Sie haben, mit „unempfänglich“, nicht nur, was den möglichen Autolenker betrifft! Aber wenn Sie diese (T.-) Linie in Blog etwas zurückverfolgen, werden Sie mir bestätigen, wie einseitig sich die Angebote verteilen. Allerdings habe ich ja nicht mit Ironie und Sarkasmus gespart. Ich habe zitiert, variiert und mich distanziert. Wer lässt sich das schon gefallen, trotz aller Liebesbeteuerungen, noch dazu wenn sie gebrochen werden (im doppelten Sinn)?

Natürlich hätte Schwitzer-Mann ja ganz anders reagieren können: ohne Kurzatmigkeit und beifallhaschende Seitenblicke. Erfreut also, erhitzt etwas drauflegend und auch voller Wagemut. Als ob die Blamage auf jeder Straßenecke (in dem Fall: hinter jedem Nickname) lauern würde!

Ich habe immerhin auch etwas gelernt, was ich vorher als Mitlesende, die anfänglich nur zögerlich etwas beigesteuert hat, nicht wusste. Ich habe gelernt, wie sich innerhalb des Netzes Bande (und Banden) bilden, die sich wellenartig überlagern können. Verstärkend wirkt der persönliche Kontakt in Form von zumindest jährlichen Treffen. Schneller und intensiver geht das noch, wenn außerhalb des Pseudochats noch zwischendurch die E-Mails sprießen. Dann wird von den Lesern sofort die Mitwisserschaft abgesondert.

Was T. betrifft, bin ich an der Entwicklung selber schuld. Ich habe ihn mir ja auserkoren, per Zufallswahl. Die hat dann eine gewisse Bindung erzeugt, aufgrund privater Mitteilungen. Dadurch wurde meine Ausdauer angespornt und die Motivik verstärkt. Was andere beleidigt zurückziehen lässt, nämlich Oberfläche und Desinteresse, ist bei mir ein Ansporn zu noch mehr Großzügigkeit und noch höherem Einsatz!

Im Moment habe ich alle möglichen Widerstände (der Zeit und des Ortes) überwunden. Ich sitze (beinahe) in der richtigen Stadt, betreut von meiner Studienfreundin. Was will ich mehr?

Ich teile Ihren Sinn für den doppelten Sinn. In der Beurteilung von Männern ist „rätselhaft“ als Kriterium für mich nicht von Bedeutung. Rätselhafte Schweiger – rätsellose Schwätzer. Wohin soll das führen?

Souverän sind diejenigen, die sich von Schönäugigen zwar anziehen lassen und in eine sanfte Verfolgerrolle gleiten, ohne dabei auf längere Sicht ihr Gesicht zu verlieren. Und zwar auch dann nicht, wenn sie aus dem Tritt kommen, mehrgeleisig fahren müssen oder eine Pause brauchen. Einverstanden?

Ich bin nicht erinnerungslos. Ich habe starke Träume. Ich erinnere diese Träume, in denen ja auch Männerstimmen mit einem bestimmten Timbre vorkommen. Von mir aus auch Frauen, mit schönen Händen, etwa die von Yvonne, die allerdings nichts Modiglianisches an sich hat. Doch immerhin grüne Augen, hohe Backenknochen, hennarote feine schulterlange Haare, die sie meist aufgesteckt trägt.

Sind Träume Rätsel? Wem gilt Ashberys Imperativ? (Sein Gedicht würde ich gern lesen.)

Mein heutiger Traum fing etwa so an: Ich habe ein Insekt auf einen weißen Karton aufgenäht. Ich legte es neben mich, mich ekelte, und ich hoffte, dass niemand erfährt, was ich getan habe. Man würde denken, ich sei nicht ganz normal. Immer wieder kamen Leute vorbei. Ich saß an meiner Nähmaschine und täuschte emsiges Arbeiten vor. Aber ich hatte keine Kraft, etwas zu beginnen.

Es ging noch weiter, aber das genügt derzeit, um Ihnen zu demonstrieren, was meine Gefühle heute mitbestimmt hat: Karton, Insekt, Nähen! Können Sie sich die Fortsetzung vorstellen?

Ja, auf den ersten Blick klingt es vielleicht absurd, sich von hellerer Haut blenden lassen wollen. Damit liegen Sie sicher nicht im Trend. Gehören Sie also nicht eher ins gepuderte Zeitalter, zu den Silberperücken?

Sie vergessen, und da spreche ich aus eigener Erfahrung, dass das, was in Ihren Augen auf helleren Geist deutet, außer vielleicht Amnesie auch kalte Füße, kalte Hände und eine häufig rote Nase mit sich bringt.

Tut mir leid, ich friere leicht und schnell. Auch wenn andere mich heiß drücken, ist das nur eine temporäre und partielle Erwärmung. Ich sollte bei Temperaturen unter 20 im Zimmer Wollsocken tragen, einen Flanellpyjama und darunter vielleicht auch noch Angora-Unterwäsche. Desillusioniert Sie das?

Freitag, 22. Dezember 2006

an yvonne erber - 22. Dez, 15:12

Liebe Yvonne Erber,

danke für die Informationen und Anmerkungen zu Beecroft. Tatsächlich interessiert sie mich noch immer sehr, und das hat auch immer mehr Gründe.

Ich denke, dass es in ihrem Fall (und wie doch sowieso meistens, wenn man aus verschiedenen Kulturen schöpfen kann) ein Vorteil ist, das Amerikanische mit dem Europäischen zu verbinden:
Ist Amerika (USA) nicht Puritanismus pur ("Nippel-Gate") gepaart mit den obzönsten Kapital- & Gewalt-Exzessen (die uns Europäer doch so anhaltend faszinieren!)? Und ist Europa nicht das Überkultivierte, bis ins Anämische Gezähmte von Stil & Form? (Ich mag z.B. Jeff Koons überhaupt nicht, aber diese spezifisch amerikanische Geschmacklosigkeit hat auch etwas uns, das Geschmäcklerische Entlarvendes, etwas anderswie Eröffnendes.)

Wie Beecroft mit fast nichts aus einem american "show-act" mit proto-sakralen (europäischen) Techniken des Kunstbereichs die latenten, längst gebändigt geglaubten Sexismen sich aus sich selbst entfalten lässt (aus uns allen, aus jedem Einzelnen also) in der Konfrontation mit etwas, das doch das Natürlichste sein soll (und das natürlich ein Artfefakt selbst, ein komplexes Konstrukt ist) gepaart mit der obszönen Kommerzialisierung und Konfektionierung, also der Kontrolle der Körper, die ja (angeblich immer wieder über die Hälfte bis zu zwei Dritteln der befragten Frauen) mit ihren Körpern nicht zufrieden sind, also sowohl in ihrem intimen Nahraum bis in ihr gesellschaftlich abzugebenden Bild Unzufriedene, bulimisch oder sonstwie Körperschema-Gestörte sind, also letztlich latent Kranke... und wie wir darauf starren, wie etwas etwas mit uns macht ("Das Leiden anderer betrachten" à la Susan Sontag): Das finde ich alles extrem gut auf den Punkt gebracht. Und das mit fast nichts!

Sind nackte Frauen nichts? Ist der nackte Körper nicht immer noch das Wesentliche, die letzte Referenz?

All diese Begründungen Beecrofts für ihre Interessen an der Nacktheit anderer, an ihrer stellvertretenden ex hibitio, die ihr Eigenestes schützt aber ihr den Kitzel der Nacktheit und ihrer Potenzen eben in Potenz erlaubt - sind es nicht Rationalisierungen, Abwehrzauber der Legitimierungen für uns Hirn-Tiere? Für einen nachfragenden, stets Gründe vorschiebenden Diskurs für die sozialen Spiele der Märkte, der Medien, der Mittler? Besteht die Unfreiheit der Frau nicht auch darin, dass sie "Gründe" noch braucht, nackt zu sein? Der Kontext selber, die Rationalisierung ist das Kleid. Das "Getragene" höchstens, die Performanz ihrer Selbstgegenwärtigkeit dann bis zur Erschöpfung - das ist vielleicht noch sie als Individuum.

Die Nacktheit jedenfalls, die Verwundbarkeit - sie geben auch Macht!
Die Nacktheit ist hier diaphanes Fenster, sie ist notwendig, um eben über den immer schon mit klamottigen Lesarten besetzten Blick etwas zu er-öffnen, das sich dann als etwas im Körper der anderen austrägt: Das immer noch möglich eines radikal Entblößten. - Halten wir das aus?

(Dazu braucht es aber offensichtlich auch Nacktheit um immer auch etwas in anderem Sinne zu bewirken, und sei es letztlich die zur Wirkung notwendige mediale Aufmerksamkeit: Reklame für Kunst! Reklame für Gedanken! Reklame für Religion! Nacktheit lässt eben niemanden kalt, sie bringt Aufmerksamkeit und Wallungen archaischer Gefühle, sie bringt Geld und Sponsoren und Umsatz in geistigen Bewegungen, die wiederum Seelen nährt: Auch das zeigt dann: so funktionieren wir.)

Somit aber auch wieder die Unmöglichkeiten des Körpers, die Unmöglichkeit den Körper zu überkommen:
Er ist Zentralthema und bleibt Gegenstand der Sorge, sämtlicher Einschreibungen und Austreibungen, der Ritzschmerzen und Schmückungen, der zartesten Berührung, die eigentliche Körperschaft: Sitz mächtiger Verbände... und zugleich die letzte Referenz, das Drama der Hinfälligkeit, der Schönheit, sterblich zu sein - und darin noch zum Anbeten, zum Beben schön.

***

Zuerst habe ich immer wieder darüber nachdenken müssen, wie wunderbar es ist, x andere Frauen als Stellvertreterinnen für sich selber arrangieren zu dürfen - ist das nicht einfach erstmal eine schöne Idee?

Dann aber auch diese für viele ja schon albtraumhafte Selbstentblößung "vor allen", nackt auch in der psychischen Haut, offen zu sein bis zum Verlieren des Gesichts, der Haltung, des in der Ermüdung immer mehr auslaufenden Bildes von sich selbst wie bis zur völligen Durchlässigkeit - allein das auf den Gesichtern zu Frauen erahnen zu können, als Betrachter "bei sich" das Theater der Scham und der Anrührungen, des Mitempfindens zu erleben, schließlich auch die Beklemmungen, um die es Beecroft anscheinend geht - alles Ambivalenzen, die nicht so simpel rationalistisch aufzulösen sind: Die Vernunft reicht da oft noch gar nicht hin!

Was ich aber begriffen habe (ich kenne nur die Bielefelder Ausstellung von 2005 und diverse Videos) ist, dass es wirklich auf die lebendige Performance, den Ort, an dem es geschieht ankommt. Dadurch gibt es eine eklatante Aufladung des Betrachters durch das Geschehen, und das Geschehen braucht eben die Betrachter, um sich selber wiederum aufzuladen. Ich würde mich nicht scheuen, hier sozial-plastische Dimensionen im Beuys'schen Sinne sich ereignen zu sehen! Und das bedeutet ja auch: Immer auch noch anderswie, animistische beseelte! Der Körper als Trägermedium der Person, des Geistes UND der Seele ist das Anmistische im Sinne der Metamorphosen und Metaphern darüber (und auch der klappernden Mechaniken dabei), er ist das Medium für alles schlechthin!
(Alle Künstler, die mit dem Körper arbeiten, von der abgründigen Abramovic bis zum opulenten Opa Nitsch, zielen letztlich auf diesen nicht-personalen Bereich: Identifikation, Übertragung, Verwandlung... das "mediale Fluidum" im Mysterium doch des Eigensten, des Unverstandenen: eine Spirale von Paradoxien.)

Dass Beecroft sich als "Hofkunst" für Vuitton prostituiert, ist zugleich (eigentlich nur kunst-immanenter) Skandal wie nur folgerichtig: Das "Kritische" bleibt keineswegs "auf der Strecke", sondern wird erst dahin gebracht, wo es vielleicht auch mal die Taschenkundin erreicht statt immer nur den (selber so oft sponsoren-hurigen) Kunstkritiker (in diesem Fall Niklas Maak in der FAZ, von dem man auch sonst etwas allzu unterkomplexe Urteile kennt). Denn: Will nicht jede Tussi so ne blöde, völlig überteuerte, markenhurerische Tasche... und kann sich in den leicht befremdlichen Dekorfrauen auch einmal anderswie karikiert sehen?

(Dass diese Ideen Beecrofts auch nur aus ihren eigensten "narzisstischen Störungen" [und die: von welcher Warte aus also diagnostiziert?] entspringen PLUS ein paar Überlegungen zu gerade gängigen Medienstrategien, wird man ihr schlecht vorwerfen können, da müsste man das Gros der aktuellen und auch älterer bedeutender Kulturleistungen kritisieren. Gerade im Kunstbereich - ein auf seine eigene Weisen ja obszöner und immer schon auch Hofhalter-Markt - ist viel Heuchlerei: Sooo viel an Kunst ist heute nur mehr Dekor und radikal harmlos, und das meiste andere ist "Diskurs".)

***

Mich hat Beecroft damals ziemlich aufgeregt, in mehreren Hinsichten.
(Ich erinnere mich, dass übers Jahr hier in D. Helmut Newton und Bettina Reims gezeigt wurden, die mir - obwohl beide mit ihren unbestrittenen Qualitäten - dagegen etwas verjährt vorkamen. [Wie überhaupt die immer weiter "aufgeblasene" Fotographie auch an ihrer Größe verliert])

Ist irgend jemandem mal das Griechische, Theaterhafte der stummen Frauen aufgefallen? Die Dimension des "Tragischen", wenn die - auch im Leben oft unnahbaren - Frauen-Bilder dann wanken, in sich zusammenfallen, stürzen? Und hier bleibt auch der voyeuristische Blick dann in einem scheelen Lugen auf sich selber vielleicht nicht ganz unaufgeklärt? Ist der Körper nicht das Stumme und zugleich der "Chor" zu dem Drama, dessen Intensität unsere Aufführungen als oft nur mehr aufgeregte soziale Spiele gar nicht mehr erreichen?

Die Beecroftschen Frauen bilden vielleicht so etwas wie ein gesellschaftliches Orakel, einen Omphalos - eine definitive Wahrheit gibt es da nicht zu erfahren. Aber allein das Ausmaß der aufgeworfenen Fragen ist schon erhellend und schafft einen kurzfristig anderen Ansatz von Orientierung.

Dass Beecrofts "Neurose" wiederum mit ihrer Familiengeschichte zusammenhängt - die Familie, die Keimzelle der Gesellschaft also, seit Kain & Abel und der Orestie und Ödipus und all der zahlreichen Mutter-, Vater-, Brudermörder der Ort des Verbrechens... - scheint mir nur folgerichtig. Man denke an das Inzestverbot. Man denke an die Urszene usw.

Ich will hier nicht meinerseits mit dem Umraunen des Profanen anfangen, aber all diese zugleich vulgär- und tiefen-kulturellen Schichten werden immer noch mit-angesprochen mit dem nackten, dazu öffentlichen Körper des bis zum Blödsinn und allgegenwärtig inflationierten Superzeichens "Frau".
Nicht Nacktheit ist das Tabu, sondern das Tabu ist ein Kontext der Nacktheit. Und selbst das kaufen uns die Modemagazine (die weibliche Seite) und die Pornographie (die männliche Seite der Medaille) ab.

Die Zurichtung dieses Superzeichens für seine exzessive Benutzbarkeit ist also die öffentliche Perversion, an der wir alle teilnehmen. Und einen geringen Teil der Schmerzen dieser Zurichtung lässt Beecroft mittels ihrer simplen Inszenierungen in uns anderen als nachfühlbar entstehen. Jegliche Versteinerung ist dabei ausgeschlossen; selbst die (dem Betrachter spürbare, ihn womöglich beschämende) Ermüdung daran übersetzt sich als Verlebendigtes, als Scham oder gar als Schmerz.

(Dass selbst die Ereignislosigkeit bewegungslos stehender Körper Regeln braucht, ist eben der Besonderheit des Kunstmoments dabei geschuldet, ein Element der Formalisierung, und nichts, was die Frauen als Individuen "zwingen" soll. Auch die Form ist übrigens als Idee und Bemühung durch und durch menschlich.
Denken Sie an die "in Form gebrachten" Nachtclub-Schönheiten, Luxuswesen an den Tresen und Präsentiertischen mit dem oft nahezu hoheitlichen Gebaren. Die "Form" ist das, was sie vor intimistischen Akten schützt, vor dem Angequatschtwerden - bei dem ihr Geist dann oft wenig "bella figura" macht. Ich glaube, in der ZEIT stand damals das Wort vom "Dienstleistungskörper". Die wir dann letztlich wiederum alle mit unseren formatierten Haltungen sind...)


Erhellend für einen Mann Ihre Sätze über Strumpfhosen - aber sind Sie ihnen nicht schon so als Teil der Zurichtung auch außerhalb Beecrofts aufgefallen? Eine der vielen Zumutungen an Sie also: Aber sie genügen ihr! Auch außerhalb Beecrofts sind Sie also "innerhalb".

Zum Schluss dann zu dem "Gestaltungswillen".
So wie ich Beecrofts Performances lese, sollen sie ja gerade in keine - oft so viel kaschierende - Aktion münden, ein weiteres erleichterndes Spektakel sein! Es geht eben um die Spannung, das Unbehagen, das Aushalten. Und jeder, der weggeht, nimmt das auch mit!

(Ich las einmal von einer deutsche "VB", die es gab, mit einer Schauspielerin, die dann auch prompt die Regel brach und zu plappern anfing, wohl erst mal zu ihrer Selbstauszeichnung [nur Schwache wollen unentwegt Regeln brechen, nur um sie zu brechen] und dann auch zur "Verständigung" über das, was sie tat - ich kann mir vorstellen, wie enttäuscht man darüber gewesen sein muss.)

Ich denke eher, dass die "losgelassene Frauenmasse" in Ihrem Vorschlag sofort von ihrer eigenen Banalität relativiert wäre - darin läge keine Ermächtigung, eher wieder Befreiungs-Illusionen, mehr Infantilität. Der "Zusammenbruch" ist als Idee in dem Zusammenhang doch wesentlich, als die real erlebte und ausgeführte körperliche Reaktion unter der Auferlegung dieser Masken von Weiblichkeit, von Nacktheit, von Gesellschaftskontexten, die die Frau (die Menschen) in die Lesbarkeit der Formalien zwingen, die sie selber oft undurchschaut an sich exekutieren. Da lernt sogar noch ein Mann dazu!

Sicher, die schweigende Frau hat kein Geheimnis, das ist als Einflüsterung wohl selber wiederum ein gängiger Trick zu ihrer Zurichtung: Ihre ideelle Erhöhung. Aber tatsächlich hat die Frau in einem Teil ihrer Unverfügbarkeit als Frau doch Macht, ist sie in einem archaischen wie individuellen Sinne ermächtigt. Und die sie um ihre Anders- und Besonderheiten "befreiende" Seite nimmt ihr eben auch noch das!
(Jede blonde Unterhaltungstussi - eine andere Art von Dekor, andere Ekelausgaben unserer Vor-Bilder - zelebriert das heute in ihrer kumpelhaft-humorigen Ranschmeiße, wenn sie kreischend vor Lustigkeit und Selbstironie "aus der Rolle" fällt.)

Natürlich: So wie die Frau mich als Mann in einem Projektionsgefängnis hält (mit Erwartungen von ständiger Potenz, Humor, viel Geld, in stets der Überlegenheit angemessen sämtlichen Situationen... all den Gesellschaftsauferlegungen männlicherseits eben), so will sie natürlich auch gern um ihre Auferlegungen befreit sehen - aber wenn schon um den Preis meiner Desillusionierung, dann bitte nicht als ein Mehr an Gewöhnlichkeit, ob mit, unter einem Kleid oder ohne. Gewisse Kräfte bedeuten "frei" im falschen Kontext doch wieder nur Nivellierung und den Verlust aller Form. Das kann man mit Beecroft begreifen: Es braucht Formen - und diese sind eben immer "schwankend". Und das in solch einem Regel-Rahmen mit seinen Untiefen vorgeführt zu bekommen, ist nicht das Schlechteste!

R. R.

Montag, 18. Dezember 2006

yvonne erber - 18. Dez, 13:17

Lieber R.R.

----Einige Nach-Bemerkungen zu Vanessa Beecroft:

-Anscheinend hat Beecroft sich in Deutschland zum ersten Mal der Realität angenähert, schon vor der WM auf Schwarz-Rot-Blond (=Gold) eingestellt und dies auch durch ihre Inszenierung mit altersmäßig breit gestreuten Frauenkörpern aus dem „Volk“ bewiesen.

-Sie führte Regie über willige oder – wodurch auch immer - willfährig gemachte Frauen, um sich selbst zu beruhigen. Vielleicht hat sie damit kurzfristig ihren Psychopharmaka-Verbrauch gesenkt. Man kann es ja auch so sehen: Eine gebürtige Europäerin im amerikanischen Lack ist zurückgekommen mit dem Bedürfnis nach Selbstbefreiung, Befreiung vom eigenen Psychoterror mittels Zurichtung und Zuspitzung einer weiblichen Masse.

-Mit der Frage an mich: Hätte ich teilgenommen oder nicht? verbindet sich gleich eine andere: Hätte ich eine Gelegenheit vorbeigehen lassen sollen, zugleich auf der realen und symbolischen Ebene zu agieren und damit diese zu vereinen?

-----Meine Emotionen beim Betrachten des heute eingestellten Fotos:

-Nacktheit ist für mich keine Tabu. Ich habe schon in der Kindheit viele nackte Menschen gesehen. Nur Nacktheit erscheint mir meist fad.

-Ich sehe Frauen lieber in Kleidern und in Bewegung. Erstarrung, noch dazu so lang hingezogene, also Versteinerung des Fleisches erweckt in mir keine positiven Assoziationen. Frauen in Gruppen ebensowenig. Ich denke dabei nur an Unbehagliches oder sehr Schreckliches. So betrachtet, würde mich da nicht einreihen wollen.

-Frauen in kleineren Gruppen kenne ich von FKK-Stränden und der Sauna. Dort allerdings sitzen oder liegen und ruhen sie. Hier sind sie zum Stehen und Durchhalten gezwungen.

-Alle Frauen tragen hautfarbene Strumpfhosen - wenig Schutz bei niedrigeren Temperaturen. Für mich „das Letzte“ – da muß ich an die Strumpfhosen meiner Mutter denken. Vereinfacht ausgedrückt: ich hasse Strumpfhosen, obwohl ich sie natürlich benütze. Die dünneren sind in der Regel zu eng. Es bedarf eines entschlossenen Vorgehens, um sie anzuziehen. Kommt man aus dem Bad, kleben sie. Die Wollstrumpfhosen sind zwar leichter anzuziehen, aber sie tragen auf und kratzen. Egal, ob dünn oder dick – für meine Begriffe sind sie zu kurz; sie sollten in den meisten Fällen bis zu Taille reichen, um nicht das Gefühl zu erzeugen, da rutscht etwas.

-Hier sind es nur junge Rothaarige. Aber ich habe auch Fotos von der ganzen Inszenierung gesehen. Mir würde sowohl an der Kategorisierung, also einem Forschungsunternehmen, etwas liegen als auch an deren Störung oder totalen Verwirrung. Das Statuengleiche müßte nach einer gewissen Zeit verschwinden und die freien Kräfte, die sich dann in der zusammengezwungenen Gruppe gebildet haben, ausgelebt werden können. Das heisst: der Gestaltungswille der Beecroft müsste sich in einen solchen der losgelassenen Frauen-Masse umwandeln könne, nicht in einen banalen Zusammenbruch aus Erschöpfung.

YVONNE ERBER

vanessa-beecroft-VB-54

Sonntag, 17. Dezember 2006

yvonne erber - 17. Dez, 19:35

Lieber R. R.

----Sie schreiben am 10.12. „Diese gesellschaftliche Selbst-Abstrahierung immer subtiler auszuloten scheint mir überhaupt die [u.a.] aufklärerische Qualität der feministisch-weiblichen Beiträge zur Kunst, bis hin zu etwa zu der m. M. oft zu Unrecht geschmähten Vanessa Beecroft.“

----Ich kann darauf derzeit nicht näher eingehen, sondern will nur Ihren Hinweis aufgreifen und aus dem Interview anläßlich der Performance „VB 55“ in der Neuen Nationalgalerie zu zitieren.

1. Zum Thema Models: „Ich bin vor allem glücklich darüber, dass sich so viele ältere, sehr durchschnittlich aussehende Frauen diesem Experiment öffnen. Ich finde sie sehr schön, aber es sind nicht unbedingt Models. Diesmal gibt es auch keine hohen Absätze, kein Make-up, keine Perücken.“

2. Zum Thema Selbstporträt: „Die Hälfte der Performance bringen die Frauen mit. Ich gebe ihnen ganz knappe Regeln – nicht sprechen, nicht zu schnell bewegen. Den Rest machen sie selbst.“

3. Zum Thema Nacktheit: „Meine größte Angst ist Nacktheit. Ich zeige mich nicht gern nackt. Ich hasse es... Ich wünschte, es wäre egal, dass Frauen Brüste und Hüften haben. Ist es aber nicht. Wenn sich Frauen vor meinen Performances ausziehen, bin ich die Erste, die nicht weiß, wo sie hinschauen soll. Dann gehe ich raus.“

4. Zum Thema Sexismus: „Ich provoziere und will die Reaktionen sehen. Ich glaube auch, dass die Nacktheit diese Frauen stark macht. Aber ich bin nicht mehr ganz sicher, ob ich sie nicht doch erniedrige. Vielleicht müssen die Frauen für meine Performances auch verletzt werden. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich das alles tun muss.“

----Dazu noch die Meinung eines Mannes, der sich an das Fotografierverbot in der Halle gehalten und nur von außen Fotos gemacht hat:

„Am Ende der Performance bleibt das zweidimensionale Bild und eine Ereignislosigkeit in seiner enervierenden Länge. Die Macht, die von den Frauenkörpern ausgehen soll, wird durch die Tatsache getrübt, dass sich im Laufe der Performance immer mehr Models aus Erschöpfung auf die Erde legen. Zudem verstärkt das Aufblitzen von Fotoapparaten eine yoyeuristische Absicht des Publikums. Aufgeschnappte Kommentare reichen dann auch von Vergleichen zu Ingres „Das Türkische Bad“ bis "Das ist ein Spiegel der Gesellschaft" und hin zur Frage, ob es hier auch Sex für umsonst gibt.

Der Anblick von nackten Frauen in durchsichtigen Strumpfhosen, mit Naht, hat auf mich etwas Trostloses. Die vom Publikum umzingelten Frauen sind durch einen Sicherheitsabstand vom Publikum getrennt. Das Personal überprüft die Einhaltung der Regeln. Obwohl die Frauen in ihrer Aufmachung und Anhäufung selbstbewusst und unberührbar wirken, sieht man einigen die Anstrengungen des langen Stehens an. Den müden auf dem Boden liegenden Frauen hätte man gerne etwas zum anziehen geholt. Das Gefühl sie zu beobachten erzeugt Unbehagen. Mit der Zeit habe ich mir lieber die Schauenden als die Angeschauten angesehen.“

----Mehr dazu und anderen Impulsen in den nächsten Tagen.

YVONNNE ERBER

Samstag, 16. Dezember 2006

an yvonne erber - 16. Dez, 13:29

(zu meinem Eintrag vom 13. Dez, 11:06)

Liebe Yvonne Erber!

Immerhin kennt man sich also mit einem entsprechenden Vornamen auch ein bisschen in entlegeneren Welten aus — wie etwa Sport. Ich turne auch nie, kannte bisher namtlich auch keine Turnerinnen. (Da tauchen nur Bilder von halbverhungert scheinenden Elfen vor meinem inneren Auge auf, die für — aus meiner Sicht — völlig alberne Erfolge mit albernen Körperübungen laaange und entbehrungsreiche Strapazen auf sich nehmen.)

Ich will hier nicht den Kapriziösen geben, aber bin anhaltend unsicher, etwas sagt mir, ich sollte "meine" Yvonne hier nicht näher beschreiben, es sprengte den Rahmen, und — als tatsächliche Bloßlegung — womöglich auch den "Kommunikationsprozess": Jene Yvonne repräsentiert für mich etwas Unreines, seine Idee - und wie sie als Zweifelhaftes dennoch unausschöpflich wäre, also anderswie unbedingt fruchtbar und anziehend. Kann man sich da noch verständigen?
Was mich dann umstandslos zu den Grenzen, Grenzsituationen bringt, zumindest in solchen Randgebieten von Öffentlichkeit, von Intimität und Geständniszwang, von Verheimlichung und Selbstausstellung wiederum.

Zwei tatsächliche Titel von mir für Denkbausteine in diesem virtuellen Raum lauten "Niemand-sein" (also weitergehend als nur Anonymität auch die ideale Standpunktlosigkeit, die eigene Nicht-Verortbarkeit) und "Alles sagen" (bis vom Grund so zusagen ebenso von Abstraktion und wiederum Selbstheit, da wo man auch in den Formulierungen am Rand der Sprache, an der Grenze operiert.

Aber das hat natürlich auch etwas Verschmocktes, etwas ambitioniert Pretenziöses. Und wer folgt einem da schon? Ja, da gibt sich die Vergangenheit als etwas angeblich Herleitbares zugänglicher. Dabei ist sie ebenso eine nur je aktualisierte Konstruktion ihrer selbst.

Spannend... ja, woher rühren diese Spannungen in einem, die tatsächlich körperlichen, bei den vermeintlichen Urszenen? Hat es sie gegeben? Aus was hat man sie gebaut? Wozu sind sie einem heute wichtig, konstituierend gar? Aus welcher Perspektive müsste man sie ansehen, um je ihren Anteil an Entwicklung aus etwas Vorgefallenem und dem aus dem Drang nach ihrer Schlüssigkeit zu sehen? Sind nicht oft unsere Erklärungen Verklärungen?

Aber in einem solchen Fall wie dem angedeuteten bleibt wohl immer die Dimension von Un-Erhörtheit, sie geht mit Re-Konstruktionen - und auch mit dem Ausplaudern - nicht weg. Und gerade Familien haben ja ihre "Traditionen" von Erzählungen und Verklärungen, regelrechte Mythen, wo es dann anlässlich von Zusammenkünften eher um emotionalen Zusammenhalt und Glättungen von Konfliktspannungen geht, statt um einen unverstellten Blick auf die rohen Tatsächlichkeiten und die Bewertung der Handelnden. Das immerhin wäre der Vorteil der Verrohung: sie namhaft zu machen! Zeige Deine Wunde! (Und hieße sie... wie auch immer, etwa Yvonne.)

Aber das Zeigen ist selbst ambivalent, wessen Aufmerksamkeit erhofft man sich, welche nimmt man in Kauf, mit welcher wird heimlich gerechnet? Was mich wieder zu dem Verschwinden bringt... und dann auch wieder zu so etwas wie Körpergröße: Heute bin ich meist ganz froh, auch darin nicht hervorzuragen — es begünstigt die Position des Beobachters. Und damit bin ich dann beim Voyeur.

Weder im technischen noch im geläufigen Definitionssinne sehe ich mich als Voyeur; allerdings, habe ich gemerkt, es eine fruchtbare, oft anderswie weiterführende Rolle!

Eigentlich bin ich nicht einmal ein vorwiegend visueller Typ, kaum Augenmensch (außer was eine Disziplin wie die Malerei angeht... aber da wirken auch andere Übersetzungen). Und deshalb sehe ich mich auch nicht (außer im technischen Sinne) als Fotograph, sondern mache mir visuelle Notizen, mache Beobachtungen, schicke Blicke aus... erdenke mir visuelle Erprobungssituationen. Dann aber stellt man leicht fest: Es grenzt eben ans Wunder, was man beobachten kann, wenn man nur genauer hinsieht. Und solcherart Empirismus plus das innere Beteiligtsein dabei, das ist dann Quelle wiederum für alles mögliche andere.

Das Schlüsselloch als Okular... das war tatsächlich nur ein Kinderspiel, und ich hatte es fast vergessen. Ich bin außerdem kurzsichtig, und auch von daher gar nicht so sehr auf Augenhunger geprägt. Allerdings versuche ich manchmal, auch hier wieder nah an jene Urszenen zu kommen, um eine Betrachtungsdistanz auf- und für mich selber auszumachen. Klänge es nicht so anmaßend, würde ich es eher (naiv-)naturwissenschaftlich sehen: Selbst wenn man nur sein bisschen Populärwissen anwendet, kommt man darauf, dass in den Übergängen, den Interfaces, den Unschärfen auch zwischen Innen + Außen, Mikro + Makro, wahr + falsch usw. sowohl die Erlebnis- und also die Erfahrungsräume liegen, als auch die Relativitäten der Beobachterpositionen. Letztlich geht es um so was wie Blickhoheit. Von wo aus kann etwas (störungsfrei) beobachtet werden? Moral ist da wieder nur hinderlich. Und der Voyeur ist einsam. Er verbringt die allermeiste Zeit mit Warten, und auch seine schließlich raren Sensationen leuchten den allermeisten, sich mit dem Naheliegenderen Beschäftigenden kaum ein.

Interessiert Sie das Thema? Es gibt ein riesiges Journal über fast zwei Jahre Beobachtung, das einmal durchgesehen werden müsste. Der Bereich der Entdeckungen liegt allerdings bei den haarfeinen Differenzierungen im Gewöhnlichsten, im Persönlichen, im Entlegenen... im Spekulativen. (Und die zahlreich nebenher entstandenen, so zu sagen zugleich ironischen wie — um es beschreibend beglaubigen zu können - tatsächlichen Fotographien, die wohl auch etwas Spektakuläres hergäben, kann man ja schon wegen den Persönlichkeitsverletzungen nicht zeigen).

Das wäre ein neues fruchtbares Stichwort: Persönlichkeitsverletzung.
Wer wären wir, wie leer und eitel, wenn wir nicht früh und immer wieder verletzt würden, wenn wir nicht unsere Seelen und Wunden zu verarzten hätten? Wenn es diese stillgestellte, schmerzlose Welt erst gibt?
Wohl gemerkt, ich habe eine lächerlich große Angst vor Schmerzen! Und jede Neigung zum Leiden geht mir ab. Trotzdem - deshalb? - ist aber auch mir so eine beispielgebende Figur am Kreuz sehr nahegehend, und selbst die schwüle Geißelungserotik der Mystikerinnen und der fleißigen Näherinnen an den Vorhäuten Christi leuchtet mir an einem entlegenen Punkt meines Vermögens mich da einzufühlen auch ein. Vielleicht teilen wir sogar hier einiges in diesem Bereich der durch kirchliche Scham erst erzeugten religiös-sexuellen Versuchungen. Und immerhin womöglich auch ein bisschen Inbrunst. Aber das gehört ja alles nicht hier hin.

Zum "Weiterschreiben" gibt es schon ein paar Überlegungen, und natürlich teile ich Sie Ihnen bei soviel Interesse demnächst auch mit. (Und jede Anteilnahme ist ja, zumindest in dieser Mindestbewegung zu einer Selbstsystematisierung hin, auch weiterführend.)

Was diese unselige Paris Hilton angeht, habe ich das schon mal dargelegt (haben Sie den Text aus dem alten Blog "Credo über Paris Hilton als kommender Gott! " vom 01. Februar 2006?). Ich denke, wir sollten ihr dankbar sein, dass sie für uns diese Art Leben ein Beispiel lebt: Sie ist eine Stellvertreterin. Sie klärt uns über gewisse Seiten unserer selbst auf. So können wir sie uns ersparen. Dabei ist sie doch tatsächlich die nahezu perfekte Verkörperung unseres Ideals?

Den — in meiner Lesart grundlegenden - Satz von Pasolini, bin ich jetzt nicht anmaßend genug, zu deuten. Nehmen Sie ihn wörtlich. Ich denke, dann erschließt er sich unvermeidlich (selbst wenn man nichts von Pasolini, von SEINEM Stellvertreterkampf auf Erden weiß).

Zu Ihren Fragen:

1. In beiden Fällen "ja", ich kenne solche Leute — und auch in der je umgekehrten Konstellation. (Vielleicht kennen Sie jemand, der Ihnen ein Heft der neuen "Tempo" leiht - die eventuell vor Ärger oder Trauer fälligen Taschentücher werden Sie in Ihrer Handtasche haben. Aber es gibt darin unter dem meist kaum brauchbaren 1 Artikel von Claudius Seidl, "Kinder an der Macht", der viel über die unausweichliche Vulgarität unserer Zeit sagt, und der es m.M. nach mehr als wert ist.)
(Oder, mehr "Informationsquelle" als solche eine launige Betrachtung braucht es oft nicht, klicken Sie mal hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,452808,00.html )

2. Meine Verzweiflung ist natürlich nur lächerlich und ganz unbedeutend — aber sie ist eben die, die mich quält. Zu "pflegen" ist da nichts, der Vulgarität, der Unsäglichkeit meiner Mitmenschen ist gar nicht zu entkommen. Aber es ist auch eitel, das zu sagen, es ist eben mein Anteil, dem nicht zu entkommen ist. Das bisschen Schmerz... "Die Hölle — das sind die anderen." (Sartre) Aber ich bin ja auch anderen ein Anderer. Ansonsten hilft nur "work — don't cry".

R. R.

Donnerstag, 14. Dezember 2006

an yvonne erber - 14. Okt, 12:10

(zum Mail von Michaela, 10. Dez, 14:21)

10.12.06

Nur eine Anm. zu Cindy Sherman, weil sie, glaube ich, mit den "Facetten ihrer Persönlichkeit" etwas über uns alle sagt, über die Persona (und das ist wiederum Kennzeichen des Amerikanischen ihrer Kunst: Mehr auf dem Punkt, selbstbezogener und zugleich näher an und gespeist aus den mordenen Vorgaben und den Ressourcen á la "Businesslife", "american women's life" oder "Hollywood"):

Aber diese Facetten müssen noch einmal querverbunden-kreuzverrechnet werden mit eben den Vor-Bildern, den gesellschaftlich vorformatierten Äußerlichkeiten als Zustände, in denen dann andere wieder als Subjekte auftauchen, indem sie es nicht sind, sich aber darin erkennen oder zu erkennen geben (oder sich zu erkennen zu geben können glauben... usw. ad infinitum), diese Verkleidungen also ihrerseits benutzen, um darin auftauchen zu können als Teil ihres angeblich eigenen "Wesens", als maskiertes Gefühl, als Ausgabe der postmodernen Rollen-Vielfalt: Hier passte diese Metapher vom Möbiusband, das unendlich ineinander verschlungen bleibt.

Diese Unendlichkeit ist schon ein Abgrund in sich und kann Angst machen, weil nämlich nichts innerhalb seiner Bewegung fein säuberlich in Original und Kopie, in Anfang und Ende, in Herkunft und Anverwandlung... in brav-binäre Kausalitäten getrennt werden kann. Sind es aber nicht eben solche Kategorien, mit deen wir ständig operieren? Wo also liegen da unsere Gewissheiten? Wir, unsere Gefühle, unser Selbst... sind auch selber diese Formatierungen durch diese Bilder, die wir von uns abgeben - wir geben uns ein "Sendeformat" (ein Imago, ein Abziehbild, einen Look... ein Schwindelmachen von Anschein). Und sind dann wiederum anderswo durch andere als "Persönlichkeit" zu ent-decken. Wo ist das Ich, wer das Selbst, was ist der „Kern“?

Das klingt erst einmal banal, aber schon in der ersten ernsthaft zugelassenen Drehung dieser Spirale beginnt der Schwindel. Dass hinter den sekündlich wechselnden Spiegel-, den täglichen Mode- und Gefühlssausgaben von uns tatsächlich etwas Fragmentiertes liegt, dies zu erkunden... darin, denke ich, liegen die Qualitäten von Sherman. Diese je abgründigen Dimensionen bei all unseren Selbst-Operationen mit aufzuzeigen dabei.

Ich weiß, solche Verallgemeinerungen [wieder mal!] sind dumm, aber sie sind eben eine der grundlegenden unserer Operationen:
Diese gesellschaftliche Selbst-Abstrahierung immer subtiler auszuloten scheint mir überhaupt die [u.a.] aufklärerische Qualität der feministisch-weiblichen Beiträge zur Kunst, bis hin zu etwa zu der m. M. oft zu Unrecht geschmähten Vanessa Beecroft.

Die "Suche nach dem eigenen Ich" ist angesichts des Überbordens seiner Zuströme eine gesellschaftlich hoch relevante. Und hierin substanzieller als viele der immer noch nach "Schocks" suchenden oder Formalismen erforschenden oder Ein-Ideen-Systeme wiederholenden Männer.

***

Interessant die Idee, für ein Selbstportrait - und wie folgerichtig also! - gar nicht mehr "selber" abgebildet werden zu müssen. Ich bin Du.

Dazu fällt mir noch ein Satz von einer Nicht-Fotographin ein: "Jedes Foto ist ein Selbstportrait des Fotographen." (Isabelle Huppert hat das gesagt, anlässlich der Vorstellung eines Buches, das ausschließlich Fotographien von Isabelle Huppert enthielt. Ich frage mich, wie das Ich einer Person in solcher Situation aussieht, wohin es in dieser Spirale des Selbst-Schwindels mit sich gelangt ist?)

***

Irritierend für mich die Idee der "Verschmelzung". Ist sie nicht auch im "materiellen Modus" des Fotos eine ideenhafte, eine ideelle? Und kann sie nicht gerade, weil sie notwendig unscharf ist, also nicht 100% deckungsgleich mit der Idee der Künstlerin, als Idee (oder Wunsch dahin) nicht sogar vollkommener sein? (Die Idee der Vollkommenheit als eine unendlich verzögerte Annäherung dahin.)

Oder hat die "Materialisierung" wieder etwas mit der Lust der Frauen zu tun, die Rolle tatsächlich einmal anzuprobieren (sie konkret anzuziehen und sich darin vor dem Selbst-Spiegel zu besehen), statt es (wie die Männer) bei der Idee zu belassen (bei der Auswahl unter den zwei drei naheliegendsten Kleidungsstücken eines zu wählen: Nur raus hier!)?

(Eines meiner ersten Foto-Projekte, wo ich mich traute, einmal heimlich auf mich selber zu sehen, war, mich mit dem Selbstauslöser in meinen diversen Klamotten und Anzügen und Rollen-out fits vor einer weißen Tür zu fotographieren. Leider spürte ich aber nur, wie ich mich kaum innerlich verwandelte dabei, im Gegenteil sogar um eine Konsistenz bemüht war, identisch sein wollte: Man hätte diesen Versuch sogar als weibisch ansehen können, als "unmännlich" [= die allergrößte Furcht von vielen Männern - und wie schmerzhaft formatiert ist das?]. Und außerdem war ich es zu wenig gewohnt, "flüssiger" mit diesen Wechselspielen umzugehen. Ich kam nicht einmal anders hindurch die Tür, die hinter mir verschlossen war.

Ich glaube, das Wort "Verschmelzung" frappiert mich hier wegen der letztlich erotischen Konnotation, der Vorstellung, noch im Selbst-Verlust (in den Serien unendlicher Verkleidungen, über ganze Katalogstrecken des eigenen Lebens... in einer Hingabe an Selbst-Bilder) gar nicht als erste Person aufzutauchen, und doch im "fließenden" Wechsel letztlich mehr im glückhaften Zwischenraum, in der Umkleidekabine eben leichter im Übergang von allem zu allen zu sein: endlose Hingabe, die ewige Orgie.

Anscheinend sind die Männer viel mehr im Irrglauben über ihre Bevormundungen, verblendet von ihrer vermeintlich behrrschten (im doppelten Sinne) "Identität", als die notorisch sich als fremd-bestimmt sehenden, und darin längst Spielraum und ein Mehr an Ausdrucks-Identitäten (und Intensitäten) gefunden habenden Frauen. Vielleicht ist schon die größere Souveränität der Wahl ihr größerer Möglichkeitsraum, ist die Reserviertheit gegenüber der Idee eines angeblichen Kerns die Bedingung seiner Infragestellung? Eine Art Vorform wiederum einer Abstraktion - weg von der alten empathisch-verblendeten - von "Freiheit"?

(Im Modus der Wissenschaft: Männer gehen hin und spalten die Kerne immer noch einmal.
Im Modus der Mode: Wenn man alle couturiers trägt [alle Masken, alle Verkleidungen] und sie täglich wechselt, ist man dann nicht dem Diktat des einen [dem Gefängnis der Identität] entkommen? Nur der Mode [den Selbst-Bildern] entkommt man nicht. Nur nicht den Ideen von einem Kern, in dem etwas wirklich von uns „selbst“ gerettet wäre.)

Cindy Sherman, Porträt von Martin Schoeller

cindy-sherman-portraet-von-martin-schoeller

Mittwoch, 13. Dezember 2006

yvonne erber - 13. Dez, 11:06

Lieber R. R.

----„Dass jeder Raum eine Verwandlung bewirkt...“- es kommt darauf an, wie man auftritt. Chantal Michel tritt gestaltend auf. Sie unterwirft sich nicht, sie unterwirft den Raum, samt Inhalt. Es ist – in den Performances als auch auf den Fotos – eine stumme, beherrschende Präsenz.

----Auf dem Foto, das ich gestern eingestellt habe, inszeniert sie alles. Der Vorteil von Fotoserien ist die Berechenbarkeit der Details. Bei den Performances ist sie das direkte Objekt der Betrachtung, das sich ausstellt. Sie verändert bewusst und aggressiv durch die Art ihres Erscheinens, die alle Anwesenden irritiert.

----Dieses Foto aus der Serie „ Während der ganzen Zeit...“ ist vergleichsweise harmlos. Auf den ersten Blick ist es ein Bild der Verwüstung. Der zweite zeigt bereits die Kompositionsabsicht und Drang zur (Farb-)Harmonie. Das Schiefe, die Flucht-Linien, die den Blick lenken – wohin? Dorthin, wo ich einen Kopf vermuten muss. Sie suchen vermutlich auch diesen Ziel-Punkt, der nie und nimmer sichtbar werden wird, jedenfalls nicht hier. (Auf den anderen 8 Fotos dieser Serie hat Chantal Michel ihr Gesicht mit ihren langen braunen Haaren verhüllt. Und – sie trägt immer diese weißen Stöckelschuhe.)

----Meine erste Assoziation war: hier ist ein Mord passiert, zumindest ein Gewaltakt. Chantals Körper ist nur bis zum Nabel sichtbar. Die Beine wirken wie Puppenbeine. Dazu dieses Tüllkleid!

----Sollte Chantal beabsichtigt haben, mich mit meiner Kindheit, meiner Puppenstube zu verbinden – es ist ihr nicht gelungen. Ich kenne auch keine Zimmer mit 3 Lampen dieser Art, mit einem Regenschirm vor einem solch blaugrünen Gemälde usw. Also eine künstliche Gewaltidylle? Das hat nichts mit meinen Horrorträumen zu tun.

----Alle ihre Bilder strotzen von Künstlichkeit und sind zugleich verführerisch. Sie bewirken keineswegs eine Verwandlung, auch nicht in dem Sinn, dass ich mich da hineinversetzen wollte. In diesem Raum wäre kein Platz mehr für mich. Auch nicht in dem Badezimmer, in dem sie sich so geschickt verklemmt hat, dass sie auch für eine wunderbar Schwebende gehalten werden könnte. Ich könnte mir keinen Mann an ihre Stelle denken. Sie hat nichts Gewalttätiges an sich. Sie ist einfach schön, wie sie sich in dem gelben Kleid und schwarzen Schuhen "ausruht". Ein Mann in dieser Position in einem Bad kann ich mir nur im Tarnanzug vorstellen.

----Mit dem Wort „hingegeben“ kann ich nichts anfangen. Auch nicht damit, dass Frauen „leichter ‚Objekt’“ seien. Das sind sie vielleicht in den Augen der Männer (zwar ohne Apostroph), die sich eine Frau so ausmalen, um sich aufzustacheln und ihre Feigheit zu überdecken. Das Objekthafte der Frauen existiert nur in der Phantasie von Männern, die glauben, Frauen wie Räume betreten und erobern zu können.

----Diese Frau – Chantal Michel – bietet sich in ihren Kunst-Inszenierungen voller Absicht als etwas zum Bild-Material Gewordenes an. Sie lässt ihr Fleisch erstarren, sie verbirgt ihr pulsierendes Leben. Wenn Sie wollen – darin wohnt die Allegorie des Todes, die einen süßlich-barocken Sog entfaltet, dem vielleicht Sie als, wie Sie schreiben, „(plump-männlicher“) Körper viel weniger entkommen können als ich. Aber ich denke, wir sind beide erwachsen und können, aufgrund der lang eingeübten Geschlechterrollen, damit umgehen, ohne „die eine Frage“ an die Eltern stellen zu müssen.

YVONNE ERBER

Chantal Michel, Die letzten Zeugen 03

chantal-michel-zeugen-

Dienstag, 12. Dezember 2006

an yvonne erber, 12. Nov, 11:13

Danke für den Hinweis auf Chantal Michel. Sie war / ist für mich eine tatsächliche Entdeckung. Ich kann das Besondere bei ihr noch nicht bestimmen, kenne aber - verbinde mit ihr - Ideen, sich z.B. in einem Badezimmer auf eine bestimmte Weise zu verhalten, die, statt funktionalistisch, mimetisch im Sinne eines Unbekannten, oder noch schwer Auszudrückenden... letztlich noch gar nicht Sinnhaftem wäre. Dass jeder Raum eine Verwandlung bewirkt, zumindest nahelegt, auch wenn mein [plump-männlicher] Körper sie abstreitet... aber sie doch immerhin [noch] spürt.) Wäre ich eine Frau, könnte ich sicher auch leichter „Objekt“ sein. Und als „hingegebenes“ vielleicht auch näher an Erlösung?
Ist das nur ein männliches Phantasma, das seinen Mangel als eine weitere Idee formuliert, oder gibt es das als etwas bejahtes an Weiblichkeit bei Frauen?

R. R.

Chantal Michel, «Während der ganzen Zeit wuchsen und wuchsen die Kinder und stellten nur die eine Frage, während die Erwachsenen ratlos und grossartig lächelnd schrumpften und schrumpften.»

chantal-michel-zeit-

Montag, 11. Dezember 2006

yvonne erber - 11. Dez, 14:33

Lieber R. R.

----Yvonne! Also da kann ich ein Lied singen! Wonne – nicht die schlechteste Verhunzung! Wonnilein, Wonnilie, Wonn, Ifonn, Fonnchen, Fonnlein usw. Yvonne-Sonne! Yvette. I wett, i wohn! Kann alles zärtlich, aber auch als Schimpfwort gemeint sein. Und mit den Leichtathletinnen bzw. Kunstturnerinnen Yvonne Buschbaum, Yvonne Haug, Yvonne Musik und Yvonne Pioch habe ich nichts zu schaffen. Ich turne nie! ;.-)

----Sie ahnen richtig, dass ich „für gewisse Abgründigkeiten empfänglich“ bin. Also wie war das mit Ihrer „einmaligen Yvonne“ und den „näheren Umständen“? Sie müssen tatsächlich nichts „ausplaudern“, weil ich – entgegen Ihrer Annahme – hier das auch nicht tue. Ich halte mich an die Grenzen, die man mir setzt – das hab ich Ihnen ja in den Mails schon geschrieben -, wenn sie deutlich genug ausgesprochen werden. Ich - und ich rede nur von mir! - lege hier nur einen Kommunikationsprozeß bloß. Natürlich können sich gewisse Bruchlinien können auftun. Ich bemerke jedenfalls die eigenen; aber das ist ja auch der Zweck.

----Zum Beispiel bemerke ich jetzt, daß ich doch eine gewisse Namensempfindlichkeit habe. Auch mit Erber kann man ja dumm herumspielen. Allerdings habe ich anhand Google gesehen, dass mir die Vornamenswahl meiner Eltern nur eine einzige Doppelgängerin (im Netz) beschert hat: erber.yvonne@landkreis-straubing-bogen.de. Uninteressant finde ich den automatischen Google-Ersatzverschlag: Yvonne Räber.

----Ihr R. R. (rollend oder kehlkopfig auszusprechen?) – soll es weiter so rätselhaft bleiben? Verraten Sie mir wenigstens den Vornamen?

----Eine Spur in die Vergangenheit zu verfolgen, finde ich manchmal spannend. Auch in meinem Alter vergißt man gewisse Zusammenhänge, Umstände, Namen von Personen auf Fotos, besonders wenn es sich um ferne Verwandte, Freunde oder Bekannte der Eltern handelt. Würde es da etwas zu verfolgen geben, etwa einen Übergriffigen, dessen Übergriffe vor den Augen der Eltern passiert sind? (Dass das Mädchen etwa brav und still auf dessen Schoß zu sitzen hatte, von mir aus beim Essen, und die Eltern sind dann rausgegangen, und das Mädchen musste brav sitzen bleiben...) Also da würde ich dann dranbleiben, wenn ich nicht – wie etwa meine ältere Cousine – nur bei dem Gedanken daran schon in Tränen ausbrechen müsste. Die Frage wäre: Was wiegt mehr: der Missbrauch des Nachbarn? Oder das Wegschauen und Weggehen der Eltern? Ist deren Schuld nach 15 oder 20 Jahren schon verjährt?

----Tut mir leid, dass ich mittels meines Fernblicks Sie grössenmäßig etwas überschätzt habe. Es ist nur ein Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Selbsteinschätzung, was die Körpergröße betrifft. Als Frau bin ich das Hinaufschauen gewöhnt. Ich habe es internalisiert. Nur im Sitzen nähere ich mich der Augenhöhe eines Mannes an. Viele Männer verwechseln das mit Vertrautheit, wenn sie sich da so einfach auf die weibliche Blickhöhe begeben haben. Eine einfache Form von Unterwerfung: man setzt sich, man rutscht heran, man hebt den Arm, man bleckt die Zähne, na usw.

----Was die „Arroganz dieser Ausgewachsenen“ betrifft, die Ihnen die Natur nicht zugemutet hat: sie ist ja auch eine Charaktersache. Ich kenne groß gewachsene Männer, die unter ihrer Größe furchtbar leiden. Die keine Attraktion am Zwang zum Herabblicken empfinden. Die wegen ihres unausweichlichen Herausragens aus der Gruppe oder Menge unglücklich sind. Die so oft zum Sich-Bücken gezwungen werden, da nützt kein aufrechter Gang! Wäre das kein Trost für Sie?

----Es freut mich, dass Sie mich andeutungsweise über die Rolle Ihrer Minox informieren. Auch, dass in Ihrem Leben die „pragmatische Seite“ im Vordergrund stand. Minox als Black box , Sie als bildnehmender, zugleich aber auch bildgebender Schamane! Sind das alles private Bilder? Oder wurden sie veröffentlicht? Wenn ja – wo? (Die paar im Weblog zählen wohl nicht.)

----Das mit dem „früheren“ Voyeur nehme ich Ihnen nicht ab. Mein erste Reaktion auf Ihr Weblog betraf ja eine aktuelle Voyeurssituation. Wenn man als Kind gewohnt ist, durchs Schlüsselloch zu „fotografieren“, dann bleibt einem das das ganze Leben.

----Längere Zeit durchs Schlüsselloch zu schauen erscheint mir, nun älter geworden, etwa so qualvoll, als würde ich mich als Erwachsene wieder in den Beichtstuhl meiner Klosterschule klemmen. Schon als Mädchen bekam ich sofort zittrige Knie. Es war eine Qual, die durch Gewöhnung mit Lust verbunden wurde, wie eben alles, was mit der Kirche zusammenhängt. Ich habe mich daran gewöhnen müssen, dass in jeden Zimmer ein Gekreuzigter hängt; auch daran, dass er fast nackt ist, aber an der interessantesten Stelle ein Tüchlein trägt. Mein Blick war zuerst scheu, dann immer forscher, forschender auf diese Stelle gerichtet. Ich habe an die Macht der Gedanken geglaubt und mir zum 1000sten Mal vorgestellt, was dann wäre, würde ich in der Lage sein, dieses Tüchlein durch heftigste Konzentration zu entfernen. Wäre da überhaupt etwas? Wäre das, was dort wäre, klein, groß, dünn, dick, weiß, gelb, rot oder braun? Wäre es nur ein Nagel, der versehentlich oder auch nicht dort von hinten eingeschlagen wurde, um dieses Jesuskörperchen zu fixieren? Würden die Mitschülerinnen diese Enthüllung sofort bemerken und zu kreischen beginnen? Oder würden sie auf die Knie sinken und erst dadurch zur inbrünstigen Anbetung angehalten sein? Und - würden die Schwestern vor dem Anblick flüchten? Oder: O Wunder!, o Wunder! schreien? Mein vorherrschende Angst jedoch war, dass die Schwestern Gedanken lesen können und über alle meine unkeuschen Gedanken bereits Bescheid wissen. Sie würden also sofort mit dem Finger auf mich zeigen und mich an den Haaren hinauszerren und zur Strafe stundenlang auf einem Holzscheit knien lassen, und zwar dort, wo mich alle Mitschülerinnen sehen und auch verhöhnen können.

----Übrigens - ich habe bemerkt, dass Sie noch ein paar Einträge auf Ihrem geschlossenen Weblog gemacht haben! Wird das jetzt so weiter gehen? Müsste ich dort nur regelmässig gegen die Schließung protestieren, um Sie zum Weiterschreiben zu animieren?

----Sie haben zwei Zitate hinterlegt, die sich ergänzen:

1. „Reiche zu hassen und Arme zu lieben: das ist mir zu einfach. Es weint sich zu leicht um das einfache Volk.“ (In Bezug auf Paris Hilton, von LaChapelle).

2. "Deshalb glaube ich, dass die einzig mögliche Reaktion auf die Ungerechtigkeit und Vulgarität der Welt heute die Verzweiflung ist - aber nur die individuelle Verzweiflung, die nicht-kodifizierte Verzweiflung.“ (Pasolini)

Meine Fragen dazu:

1. Kennen Sie persönlich Reiche (muss ja nicht gleich in der Schlecker-Klasse sein), die Sie lieben, und Arme (halt Hartz IV-Bezieher), die Sie hassen?

2. Wie gehen Sie mit Ihrer Verzweiflung über die „Ungerechtigkeit und Vulgarität der Welt“ um?

Ich grüße Sie herzlich.

YVONNE ERBER

Bettina Rheims I.N.R.I.

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