yvonne erber - 7. Okt, 23:09
LA DEFENSE:
ich denke sofort: defensiv, dazu dieses la – DIE DEFENSIVE: bin ich das? Abwehr, Wehr, Schutzwehr, Gegenwehr, Verteidigung, aber auch: Stoßzahn – bin ich das?
Ich bin dort auch schon in dieser Gegend gegangen, in Paris, ein Jahr später, in diesem Hochhausviertel, mit der sicher mehr als einen Kilometer langen Fußgängerzone mit dieser Unzahl an Hochbauten, alles Bürotürme: Areva-Turm, Manhattan, Gan, Total Fina Elf und das CNIT. Am beeindruckendsten ist jedoch die Grand Arche, die im Gedicht gar nicht erwähnt wird.
Es ist ja eine Annäherung, die man uns nahebringt, mit scharfen Detailblicken auf Ausschnitte aus der Umgebung. Etwas mühsam, dieses Vorankommen, weil alles an Hindernissen aufgeboten wird, was eine moderne Stadt zu bieten hat: Autoverkehr, Abgase, Verkehrslärm, Straßenwirrwarr. Der Fußgänger zählt nicht, solange er nicht auf der Fußgängerzone gelandet ist und vor der Grand Arche in die Knie geht.
Ganz verloren ist dieses Ich nicht: es kann Ventilatoren zum Stillstand bringen, ein „eingebildetes Tatsachenbild“. Auch es drängt es nach oben – unerwartet, daß es in einem Gelächter, noch dazu schmetternden, landen muß. Mir ist diese Strafe erspart geblieben, vielleicht, weil ich geführt wurde.
YVONNE ERBER
Zu:
FRANZ SCHIEL
LA DEFENSE
niemand erklärte mir den Namen: Pont du Puteaux -
Hure, Hurenkind oder vielleicht etwas ganz anderes.
Unablässig dröhnte der Verkehr. Schnell ging ich weiter
in eine viel stillere Gegend, verlassene Baustellen,
Bagger in der tiefen dottergelben Sandgrube,
der auch ein Kinderspielzeug sein könnte,
Spiegelflächen, die alles eindunkelnd verschärften,
mit kunstvoll abgestützten Hauswänden.
Vor einem pompösen potjomkinschen Bezirksamt
eine Unzahl verschieden hoher Springbrunnen,
alle in einem unwiederbringlichen Moment zu Eis erstarrt.
Und zum Hügel, der hinaufführt zu La Defense,
Wand aus Türmen, ausweglos über der Autostraße.
Inmitten von Gedröhn, Abgasen nur dieser eine Weg
quer durch den Busbahnhof, zwischen ununterbrochen
ankommenden und abfahrenden Bussen, und grünen,
auf den Fotos dann rot erscheinenden Ventilatoren,
die augenblicklich stillstanden, als ich sie fixierte.
Ort der Ruhe, eingebildetes Tatsachenbild. Und über mir
diese Bastionen ohne Gewicht, die Menschen in stummen
traurigen Märschen, die Maschinen, Geräte, Möbel
fliegend, fleischig. Lautlose Explosionen, die alles
lächerlich machten, mich zum einzigen, der standhielt:
fährt nach oben, landet im schmetternden Gelächter
(Sonntag, 21.04.2002, Paris)
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ich denke sofort: defensiv, dazu dieses la – DIE DEFENSIVE: bin ich das? Abwehr, Wehr, Schutzwehr, Gegenwehr, Verteidigung, aber auch: Stoßzahn – bin ich das?
Ich bin dort auch schon in dieser Gegend gegangen, in Paris, ein Jahr später, in diesem Hochhausviertel, mit der sicher mehr als einen Kilometer langen Fußgängerzone mit dieser Unzahl an Hochbauten, alles Bürotürme: Areva-Turm, Manhattan, Gan, Total Fina Elf und das CNIT. Am beeindruckendsten ist jedoch die Grand Arche, die im Gedicht gar nicht erwähnt wird.
Es ist ja eine Annäherung, die man uns nahebringt, mit scharfen Detailblicken auf Ausschnitte aus der Umgebung. Etwas mühsam, dieses Vorankommen, weil alles an Hindernissen aufgeboten wird, was eine moderne Stadt zu bieten hat: Autoverkehr, Abgase, Verkehrslärm, Straßenwirrwarr. Der Fußgänger zählt nicht, solange er nicht auf der Fußgängerzone gelandet ist und vor der Grand Arche in die Knie geht.
Ganz verloren ist dieses Ich nicht: es kann Ventilatoren zum Stillstand bringen, ein „eingebildetes Tatsachenbild“. Auch es drängt es nach oben – unerwartet, daß es in einem Gelächter, noch dazu schmetternden, landen muß. Mir ist diese Strafe erspart geblieben, vielleicht, weil ich geführt wurde.
YVONNE ERBER
Zu:
FRANZ SCHIEL
LA DEFENSE
niemand erklärte mir den Namen: Pont du Puteaux -
Hure, Hurenkind oder vielleicht etwas ganz anderes.
Unablässig dröhnte der Verkehr. Schnell ging ich weiter
in eine viel stillere Gegend, verlassene Baustellen,
Bagger in der tiefen dottergelben Sandgrube,
der auch ein Kinderspielzeug sein könnte,
Spiegelflächen, die alles eindunkelnd verschärften,
mit kunstvoll abgestützten Hauswänden.
Vor einem pompösen potjomkinschen Bezirksamt
eine Unzahl verschieden hoher Springbrunnen,
alle in einem unwiederbringlichen Moment zu Eis erstarrt.
Und zum Hügel, der hinaufführt zu La Defense,
Wand aus Türmen, ausweglos über der Autostraße.
Inmitten von Gedröhn, Abgasen nur dieser eine Weg
quer durch den Busbahnhof, zwischen ununterbrochen
ankommenden und abfahrenden Bussen, und grünen,
auf den Fotos dann rot erscheinenden Ventilatoren,
die augenblicklich stillstanden, als ich sie fixierte.
Ort der Ruhe, eingebildetes Tatsachenbild. Und über mir
diese Bastionen ohne Gewicht, die Menschen in stummen
traurigen Märschen, die Maschinen, Geräte, Möbel
fliegend, fleischig. Lautlose Explosionen, die alles
lächerlich machten, mich zum einzigen, der standhielt:
fährt nach oben, landet im schmetternden Gelächter
(Sonntag, 21.04.2002, Paris)
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yvonne erber - 7. Okt, 22:59